Corum 06 - Das gelbe Streitross
habt Ihr gesehen, Ilbrec?«
»Ich kann es noch immer sehen ein Segel. Ich bin ganz sicher. Es kommt aus der Richtung von Bro-an-Mabden.«
»Ich will nicht annehmen, daß es Freunde sind, die zu unserer Rettung diese Insel ansteuern«, sagte Corum elend. »Ich möchte nicht, daß noch andere in diese Falle geraten.«
»Vielleicht waren die Mabden vor Caer Llud siegreich«, erwiderte Ilbrec. »Vielleicht sehen wir hier das erste einer Flotte von Schiffen, die mit Amergins ganzer Magie gerüstet sind.«
Aber Ilbrecs Worte klangen hohl, und Corum konnte keine echte Hoffnung empfinden. »Wenn es wirklich ein Schiff ist«, sagte er, »was Ihr da seht, dann fürchte ich, bringt es nur weiteres Verderben für uns und alle, die wir lieben.« Und nun glaubte er ebenfalls, ein dunkles Segel am Horizont zu erkennen. Ein Schiff näherte sich mit beachtlicher Geschwindigkeit.
»Und dort«, Ilbrec wies wieder auf das Meer, »ist das nicht ein zweites Segel?«
Einen Augenblick glaubte Corum, auch das zweite Segel zu sehen, aber dann war nichts mehr zu erkennen, und Corum nahm an, daß die Lichtreflexe auf dem Wasser ihnen einen Streich gespielt hatten.
Bestürzt erwarteten sie die Ankunft des Schiffes. Es hatte einen hohen, geschwungenen Bug, den die Figur eines springenden Löwen schmückte. Silber, Gold und Perlmutt schimmerten auf der Galionsfigur. Das Schiff wurde nur vom Wind vorangetrieben. Ein großes schwarzrotes Segel blähte sich vor dem Mast. Bald konnte es keinen Zweifel mehr geben, daß dieses Schiff direkt Ynys Scaith anlief. Ilbrec und Corum begannen zu rufen und zu winken, um die Neuankömmlinge zu warnen. Aber das Schiff blieb auf seinem Kurs. Sie sahen, wie es um eine Landzunge segelte und damit ihren Blicken entschwand. Offensichtlich wollte es in der dahinter gelegenen Bucht vor Anker gehen. Ohne große Umstände griff Ilbrec nach Corum und setzte sich den Vadhagh auf die Schulter. Dann stürmte er über den Strand in Richtung des mutmaßlichen Ankerplatzes. Trotz des überall verstreuten Unrats kam Ilbrec mit seinen riesigen Schritten rasch voran. Und schließlich stand er keuchend in einem natürlichen Hafen, den eine schmale Bucht der Insel bildete. Sie kamen rechtzeitig, um mitzuerleben, wie vom Schiff ein Boot zu Wasser gelassen wurde. Das Segel war inzwischen eingerollt.
In dem Boot konnten sie drei Gestalten erkennen, aber nur eine, in dicke Felle gehüllt, legte sich in die Riemen. Die anderen beiden saßen am Bug und am Heck. Auch sie trugen schwere Kapuzenmäntel.
Bevor die drei Männer an Land gehen konnten, sprangen Ilbrec und Corum ins Wasser. Sie wateten ihnen entgegen, bis ihnen das Wasser zu den Hüften reichte, und schrien so laut sie konnten.
»Kehrt um! Kehrt um! Dies ist ein Land des Todes!« rief Ilbrec.
»Dies ist Ynys Scaith, die Insel der Schatten. Alle Sterblichen, die hier landen, sind dem Tod geweiht!« warnte Corum.
Aber die stämmige Gestalt in den Fellen ruderte weiter, und ihre Begleiter unternahmen nichts, was darauf schließen ließ, daß sie die Warnungen gehört oder verstanden hatten. Corum fragte sich, ob sie vielleicht schon unter dem Zauber der Malibann standen.
Als das Boot heran war, hielt sich Corum am Bootsrand fest, während Ilbrec mit seinem riesigen Körper vor dem Boot aufragte, als sei er leibhaftig der Meeresgott, zu dem sein Vater in den Sagen der Mabden geworden war.
»Ihr seid in Gefahr«, donnerte Ilbrec. »Könnt ihr mich nicht verstehen?«
»Ich fürchte, sie können es nicht«, rief Corum. »Sie stehen bereits unter einem Zauber, wie wir ihn auch erlebt haben.«
Da schlug die Gestalt am Bug ihre Kapuze zurück und lächelte. »Wir stehen unter keinem Zauber, Corum Jhaelen Irsei. Das wäre auch äußerst unwahrscheinlich. Erkennt Ihr uns nicht?«
Corum kannte dieses Gesicht gut. Er kannte die alten, schönen Gesichtszüge, eingerahmt von langen, grauen Locken und einem dichten, grauen Bart. Er kannte die harten, blauen Augen, die kräftigen, geschwungenen Lippen, den goldenen, mit Juwelen besetzten Halsreif und die dazu passenden Fingerringe. Er kannte die warme, milde Stimme voller Weisheit; einer Weisheit, die mit einem erheblichen Aufwand an Zeit und mentalen Energien gewonnen worden war. Er kannte den Zauberer Calatin, den er zum erstenmal im Wald von Laahr getroffen hatte, als er auf der Suche nach dem Speer Bryionak gewesen war. Das war in einer glücklicheren Zeit gewesen, die jetzt schon so lange zurück zu liegen schien.
Und im
Weitere Kostenlose Bücher