Coruum Vol. 1
haben etwas übersehen.«
Miguel
Miguel war nicht enttäuscht. Er hatte nie damit gerechnet, als Student an der Entdeckung einer neuen Maya-Metropole mitwirken zu können. Er kam aus einfachsten Verhältnissen in Guatemala-Stadt. Seine Eltern hatten ihm die bisherige Ausbildung nur mit Unterstützung der gesamten Familie finanzieren können. Bescheidenheit war seine Tugend. Besonderen Ansporn brauchte er nicht. Er durfte seine Familie nicht enttäuschen. Er hatte gelernt und gebüffelt, Tag und Nacht. Er war Bester geworden – nach Sinistra, die einfach eine überwältigende und manchmal frustrierend begabte Studentin war. Sie lernte nicht viel, sie las ein Buch einmal und verstand es. Mit ihrem fotografischen Gedächtnis und der Fähigkeit, in kürzester Zeit komplette Sprachen zu lernen, wenn andere gerade einmal die nötigsten Redewendungen für den Urlaub behielten, war sie für das Studium seltener Sprachen und Schriften prädestiniert. Es war für ihn keine Schande, nach ihr der Zweite zu sein.
Mit der Einladung von Dr. Whitewood, an der Ausgrabung des durch Zufall entdeckten Ballspielplatzes teilzunehmen, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Dass aus dem Ballspielplatz jetzt die größte archäologische Sensation des einundzwanzigsten Jahrhunderts werden würde, war beinahe schon wie ein Rausch.
Wenn er an der Öffnung der unterirdischen Anlage heute nicht teilnehmen sollte, akzeptierte er es. Er würde später hineingehen und sich alles in Ruhe ansehen.
Er gönnte es Karen und ihrem schottischen Freund von Herzen, dass sie ihren Erfolg noch vergrößern würden. Er hatte noch nie an Ausgrabungen mitgewirkt oder von solchen gehört, wo das Team über alle Hierarchien hinweg so eng zusammen gearbeitet hatte. Alles, was er bisher kannte, war von Eifersüchteleien und Geheimniskrämerei unter den Teilnehmern geprägt gewesen, und es war immer um vielfach kleinere Entdeckungen gegangen.
Er wusste, dass er sich in den folgenden Jahren allein mit den Auswertungen der in den letzten Wochen hier gemachten Funde beschäftigen konnte und damit ein sehr gutes Auskommen haben würde. Er war zufrieden mit seiner Rolle und fühlte sich als echtes Mitglied im Team.
Seit acht Uhr saß er in den Büroräumen des archäologischen Instituts in Flores und brütete über den Ergebnissen der Bodenproben. Es würde ein besonders schwüler Tag werden. Der Ventilator lief leise klappernd auf niedriger Drehzahl und ließ seinen nur scheinbar kühlen Luftstrom im gleichmäßigen Rhythmus über ihn und die Berge von Papier um ihn herum hinwegstreichen.
Die Auswertungen der Proben waren eindeutig. Die Proben waren an drei Stellen in jeweils zwei, fünf und zehn Metern Tiefe entnommen worden. Zwei der Stellen lagen fünfzig Meter auseinander über der auf den Radarbildern entdeckten unterirdischen Anlage, die dritte, eine Referenzprobe, war einen Kilometer entfernt entnommen worden.
Die Analyseergebnisse der Proben aus zwei Metern Tiefe lagen von den Verhältnissen der Bestandteile her sehr dicht beieinander. Ein hoher Kalkanteil war zu erwarten gewesen. Auffällig waren neben einigen höchst seltenen Mineralen ein überproportional hoher Anteil an Titan, Mangan und Iridium, wertvollen Metallen, die vollkommen untypisch für diese Region waren.
Die Konzentration dieser Metalle nahm in den Fünf- und Zehn-Meter-Proben der Ausgrabungsstätte noch deutlich zu, während sie in der entfernteren Probe bei fünf Meter nur noch zu einem Zehntel und in der zehn Meter Probe nicht mehr nachweisbar waren.
Miguel war mit diesen Stoffen einigermaßen vertraut. Es bestand die Möglichkeit, dass sie durch vulkanische Aktivitäten an die Oberfläche transportiert worden waren. Der Haken all der Sache war nur, dass es in Guatemala Vulkane nur im Hochland gab, und das war von Coruum wenigstens dreihundertfünfzig Kilometer entfernt. Ausgeschlossen, dass Ascheregen aus den Eruptionen der letzten zweitausend Jahre so weit reichte, um Ablagerungen in dieser Konzentration zu bilden.
Nur – woher kamen sie dann?
Die andere Alternative war ein Meteoriteneinschlag. Der metallreiche Kern würde den Eintritt in die Erdatmosphäre überstehen, wenn der Meteorit groß genug war. Durch den Einschlag würde er zusammen mit dem Erdreich der Einschlagstelle verdampfen und sich gleichmäßig als Niederschlag in der Umgebung ablagern, mit proportional zur Entfernung vom Zentrum des Einschlags abnehmender Konzentration.
Diese Alternative passte
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