Coruum Vol. 1
geringste Schäden beibringen zu können. Der alte Mann hatte das nicht wissen können und ohne Schutzfeld hätte er mich mit geöffnetem Visier vielleicht auch erwischt.
Ich sah zu Sabbim hinüber.
»Wie lange noch bis zum Einschlag, sagtest du?«
»Einen Planetentag und vier Planetenstunden, Ashia. Das entspricht neun Standardstunden.«
Ich atmete langsam durch.
Sabbim fügte hinzu: »Die Stadt wird im Umkreis von zehn Flugminuten verdampfen.«
Ich nickte. Verdampfen war gut. Es würden keine Spuren bleiben, die an meine Beinahe-Niederlage durch eine primitive Kultur der fünften Stufe erinnern würden.
Ich ließ meinen Blick ein letztes Mal über die Spuren der Vernichtung streichen. Zeit zu gehen.
»Sabbim, sage den Bodentruppen, sie sollen bis Mitternacht weitermachen und danach das alte Depot zerstören. Dies war die letzte Extraktion für diesen Planeten.«
Ich lächelte bitter vor mich hin. Hoffentlich beendete sie nicht auch meine Karriere.
Roter Nebel, Zentrum. Ankatarh, Cap del Nora. Hauptstadt der Gilde
30.396/8/39 SGC
21. September 2014
»Ashia!«
Der Ruf meines Namens riss mich aus der Erinnerung zurück. Ich hätte im Unterbewusstsein die Nähe von Kamir fühlen müssen, lange bevor er mich sehen konnte. Ich hob den Blick und erkannte ihn im weichen Gegenlicht der aufgehenden Sonne auf der anderen Seite des Marktwagens. Eine Chuvi-Frucht in der Rechten, zwei in der linken Hand, betrachtete er mich nachdenklich. Kamirs markantes Profil, mit der kräftigen Nase und den in seinen Kinn- und Wangenbart eingeflochtenen Perlenriemchen hob sich vor dem hellen Sonnenlicht ab. Er musste mich als Erster entdeckt haben, denn er zeigte keinerlei Überraschung, mich hier zu sehen. Wie lange hatte er mich schon beobachtet? Ein kurzer Moment des Unbehagens überschattete meine Freude. Ich werde nicht gerne überrascht – eine Eigenheit meines Berufsstandes – nehme ich an.
Nach dem Misserfolg meiner letzten Extraktion von Xee war ich mit meinem Rodonn noch während des Rückflugs beurlaubt worden. Ohne Befristung. Das war kein gutes Zeichen gewesen, obwohl ich etwas in der Richtung erwartet hatte.
Nach der Übergabe der Extraktionskultur von Zerbala hatte sich mein Rodonn auf den Weg nach Risidor II gemacht der wohl exklusivsten Vergnügungswelt im Zentrum.
Ich war auf dem Rückweg auf Ankatarh, dem Heimatplaneten der Gilde, ausgestiegen. Vielleicht würde ich Lumidor und den anderen noch folgen. Mir waren keinerlei Reisebeschränkungen vom Corps auferlegt worden und so hatte ich mir vorgenommen, die Verkündung eines Termins für mein Verfahren in der angenehmen Atmosphäre von Cap del Nora , der Hauptstadt der Gilde auf Ankatarh, abzuwarten.
Kamir war mein ältester Freund, ich kannte ihn seit meiner Kindheit auf Regelion . Er hatte meinem aussichtslosen Leben als Waise auf einem durch endlose Kriege zerrissenen Planeten im Alter von acht Jahren eine Richtung gegeben, als er mich in ein Qualifikationszentrum für die Akademie der Gilde aufnahm.
Seitdem war er mein Mentor gewesen und immer zur Stelle, wenn ich wegweisende Entscheidungen für mein weiteres Leben zu treffen gehabt hatte. Kamir hatte mich von der Akademie der Gilde auf Es’Seteer in das Extraktionscorps des Zentrums gebracht, dem ich bis heute angehörte.
Ein Anflug von schlechtem Gewissen sagte mir, dass sein plötzliches Erscheinen im direkten Zusammenhang mit Xee stehen musste. Für Kamir war es nie schwer gewesen, mich zu finden, wenn er es wollte.
Er hatte die Früchte auf den Wagen zurückgelegt und sich seinen Weg um den Stand herum, durch den morgendlichen Strom der Marktbesucher, zu mir gebahnt.
Es blitzte aus seinen eisblauen Augen, als er vor mir stand und unsere Blicke sich trafen. Sein goldener Haarkranz aus dichten Korkenzieherlocken zeigte erste Spuren von Grau und seine Umarmung schien mir nicht mehr ganz so kraftvoll wie früher – wir hatten uns einige Jahre nicht gesehen.
Er war mittlerweile einen guten Kopf kleiner als ich, trug ein großzügig bemessenes helles Stoffgewand mit schreienden Blumenmotiven, das am unteren Ende über einem Paar lederner Sandalen endete und oben ausreichend Platz ließ für die ebenfalls löckchenübersäte Brust. Eine ausgeblichene Ledertasche baumelte an einem Riemen über seiner Schulter, aus der Teile seines morgendlichen Einkaufs heraushingen.
Die eingeflochtenen Perlen in Kamirs Bart schaukelten bei jeder Kopfbewegung. Sie zeugten deutlicher als alle Geschichten
Weitere Kostenlose Bücher