Coruum Vol. 1
von seinem Leben als Gildenkapitän. Jede Perle hatte ihre eigene Geschichte und nicht zwei von ihnen waren aus dem gleichen Sektor. Wäre nicht der ernste Blick in seinen Augen gewesen, ich hätte ihn mit seiner gebräunten Hautfarbe für den zufriedensten Händler des Zentrums gehalten.
Kamir war in seiner aktiven Zeit eine Legende unter den erfolgreichen Händlern der Gilde gewesen. Als wir uns bei unserem letzten Treffen verabschiedeten, hatte er sich gerade zurückgezogen – sofern das bei ihm überhaupt möglich war. Er brauchte schon damals nicht wirklich zu arbeiten. Es war mehr eine Sucht – neue und seltene Waren zu finden – wie er gern scherzhaft ergänzte.
Ich kannte ihn seit mehr als zwanzig Jahren und für mich hatte er immer im Dienst seines Ehrgeizes gestanden, sich jedoch durch seine angenehme äußere und umgängliche Art den Ruf eines zwar harten, aber fairen Händlers erworben.
Er lebte hier in Cap del Nora, der Hauptstadt der Gilde – dem einzigen Ort, wie er sagte, an dem ein echter Händler sich zu Hause fühlen konnte.
Wir hatten in der Vergangenheit eine Reihe von Aufträgen gemeinsam ausgeführt – ich hatte oftmals während meiner Ausbildung und auch in den Jahren danach den Eindruck – er agiere eher wie ein sehr hoher Offizier des Extraktionscorps, denn als Mitglied der Gilde.
Kamir behielt die Gewissensbisse aus diesen gegensätzlichen Tätigkeiten – sofern er welche hatte – für sich. Die Gilde wahrte ihren Ehrencodex über allem, vor allem die Unantastbarkeit fremder, wenig entwickelter Kulturen war ein geschriebenes Gesetz. Die Interessen und Handlungsdirektiven eines Offiziers des Extraktionscorps waren naturgemäß davon unterschiedlich bis gegensätzlich.
Wir sprachen nie über seine Tätigkeiten für das Corps, selbst auf unseren gemeinsamen Aufträgen nur über die direkt vor uns liegenden Aufgaben.
Wenn er mich heute auf Xee ansprechen würde, wäre dies das erste Mal, dass er diesen Grundsatz brach.
Kamir bestand darauf, meinen Einkauf zu bezahlen. Ich verstaute alles in meinem Rucksack, hakte mich mehr aus Gewohnheit als aus aktuellem Anlass bei ihm unter und er führte mich eilig in sein – wie er es nannte – »Frühstückscafé« am Hafen in der Unterstadt.
Dafür, dass wir uns eine lange Zeit nicht gesehen hatten, zeigte er sich auf dem Weg relativ wortkarg und mein schlechtes Gewissen kam zurück.
Das Café war natürlich Teil des Gilden-Trading-Centers auf Ankatarh und lag noch unterhalb des Marktes, direkt über der filigranen, Wasserüberspannenden Anlegerkonstruktion, die den schimmernden Privatjachten reicher Händler einen repräsentativen Anlegeplatz bot. An einem Ende des Hafens herrschte reger Flugbootbetrieb, das übliche Verkehrsmittel für Besucher der Stadt über die Bay.
Wir betraten das Trading-Center durch einen Seiteneingang der formal von einem bewaffneten und uniformierten Flottenoffizier bewacht wurde. Ohne ihm und seinem Gruß weitere Beachtung zu zollen, führte Kamir mich über eine verborgene Treppe am exklusiven Eingang zum Hotelkomplex des Trading-Center vorbei auf die Holzveranda des Cafés, welches wie das Hotel nur den herausragenden Händlern der Gilde zugänglich war. Er ging zu einem etwas abseits stehenden Tisch mit herrlichem Ausblick auf die gut zehn Kilometer breite Bay.
»Der ist immer für mich reserviert, Ashia«, erklärte Kamir mit einem knappen Lächeln, als er meinen erstaunten Blick bemerkte.
Aus der Luft betrachtet, verläuft die Küstenlinie Cap del Noras hier schnurgerade von Osten nach Westen mit einen gewaltigen Einschnitt in Form einer tiefen Kerbe, wie von der schartigen Axt eines vorzeitlichen Riesen geschlagen. An der Stelle der Kerbe verbindet sich die Bay mit dem Meer.
In der Entstehungszeit von Ankatarh schoben sich an dieser Stelle unter erheblicher vulkanischer Aktivität zwei tektonische Platten übereinander und schufen ein parallel zur Küste verlaufendes Gebirge enormer Höhe. Über und unter dem Wasserspiegel ragen die Felswände noch heute mehrere Kilometer fast senkrecht empor. In den folgenden Millionen von Jahren erodierten die leichteren Bestandteile der Abbruchkante, und die vier größten Flüsse des Kontinents schliffen in beeindruckenden Canons, aus Nordwesten kommend, die Kerbe zu einem riesigen Delta auf. Dieses Delta bildet heute um die mächtige Halbinsel der Konnega herum die Bay.
Die von den Flüssen mitgeführten Sedimente lagerten sich an der Übergangsstelle der
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