Coruum Vol. 2
mich damals verurteilt, vielleicht wäre der Tod gnädiger gewesen, als mich für den Rest meines Lebens in meinen alten Körper zu verbannen! An seiner rechten Seite vernahm er eine Bewegung.
Raoula 56. betrat den Richtsaal durch die Tür der Richterin – auch das wie vor zweiundzwanzig Jahren – und nahm auf einem hochlehnigen Stuhl Platz. Der Abt kniff die wässrigen Augen zusammen. Du hast dir eine geklonte Novizin gehalten, dachte er neiderfüllt, hast deine Jugend erhalten, während er heimlich bewundernd ihre grazile Figur betrachtete. Er konnte keine Veränderung an ihrem Aussehen ausmachen. Immer noch trug sie ihre blonden Locken hinter zarten Ohren aufgerollt, einzelne Strähnen in ihr helles, offenes Gesicht fallend.
»Tritt näher, Vater, wir haben uns lange Zeit nicht gesehen!«
Ihre sanfte Stimme löste seinen Bann. Er machte einen vorsichtigen Schritt vorwärts – aufmerksam die Ritter seiner Eskorte im Blick, die jedoch kein Anzeichen machten, ihn aufzuhalten. Zügig beschleunigte er seinen Schritt und durchquerte den Richtsaal, die Augen demütig ein paar Fuß vor sich auf den Boden gerichtet. An einer unsichtbaren Linie, fünf Meter von ihrem Stuhl entfernt, blieb er stehen und suchte ihren Blick. Die mandelförmigen Augen unter ihrer hohen Stirn funkelten ihn tiefgründig an. Sie hatte sich wirklich nicht verändert.
»Mutter!«, sagte er, kniete nieder und senkte den Blick zum Boden.
»Erhebe dich, Vater, ich freue mich, dich zu sehen.«
Der alte Mann spürte die zarte Hand der Benedictine auf seiner Schulter. Sie half ihm hoch und geleitete ihn am Arm zu einer hölzernen Bank, welche unter dem Konterfei der ersten Urmutter, Cestorines 1., in einer halbrunden Kapelle stand, die in einer der Wände des Richtsaals eingelassen war.
»Genug von den verstaubten Informationen, Vater?«, warf sie ihm einen Haken zu und setzte sich neben den alten Abt.
Er sah sie an und nickte langsam. Werd jetzt nicht sentimental! , ermahnte er sich scharf und zwang seinen Blick demonstrativ in die Ferne des Richtsaals.
»Was kann ich für dich tun, Rastolon?«
Er bemerkte die leicht veränderte Dringlichkeit in ihrer Stimme. Er würde es jetzt versuchen müssen.
»Mutter – «, er rang unbewusst seine faltigen Hände, »ich möchte etwas mit dir besprechen.«
Sie beobachtete ihn abwartend – ein leichtes Schmunzeln auf den roten Lippen.
»Ich habe den Cektronn die übermittelten Informationen finden lassen, Mutter, er hat nichts bemerkt und ist nach einem Tag wieder abgereist.« Vater Rastolon stockte. »Sonderbarerweise ist nur wenige Tage vor dem Cektronn ein falscher Händler der Gilde erschienen, um nach ähnlichen Informationen zu suchen.« Der alte Mann fixierte die Züge der Benedictine einen kurzen Moment, konnte jedoch keine Reaktion entdecken. Ihre Augen ruhten unverändert aufmerksam auf ihm.
»Der Händler hat höchstwahrscheinlich einige Fragmente zu Cetna entdeckt, Mutter, es war anschließend nicht mehr viel vorhanden, seine Suchanfragen haben identifizierte Spuren sofort gelöscht.«
»Wo ist dieser falsche Händler jetzt, Vater, du hast ihn sicher in Verwahrung und konntest ihn befragen?« Das Schmunzeln der roten Lippen war unverändert, nur ihre Augen lächelten nicht.
»Nein, Mutter, ich musste ihn abreisen lassen – er hatte Argumente, über seinen Abzug zu verhandeln«, entgegnete der Abt zerknirscht, eher wütend an die leuchtenden Augen der Gildenoffiziere zurückdenkend, als sie ihre Bezahlung für die Entschärfung der Antimaterie-Bombe erhalten hatten.
»Worüber sprechen wir dann, Vater?«, fragte sie, die feinen Augenbrauen zusammenziehend.
Er räusperte sich. »Es waren vorher schon wenige Informationen übrig gewesen, jemand hat im Archiv über eine sehr lange Zeit Spuren verwischt!«
Sie richtete sich auf der Bank auf. »So?«
»Mutter, ich habe etwas entdeckt, einen Zusammenhang zu den Fragmenten um Cetna und um die verlorene Kultur. Etwas, das vor langer, sehr langer Zeit in der Geschichte der Kirche seinen Anfang genommen hat – vor mehreren Hundert Jahren – und das bis heute andauert.«
Vater Rastolon bemerkte zum ersten Mal erwachendes Interesse bei der Benedictine.
»Erzähle es mir, Rastolon!« Ihr Gesicht befand sich nur einen halben Meter von ihm entfernt, perfekte jugendliche Züge gegenüber einem altersfleckigen Greis.
Der Abt holte Luft. Jetzt muss ich es versuchen. »Ich möchte dir einen Handel vorschlagen, Mutter.«
Ihr Blick verriegelte
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