Coruum Vol. 2
Zeit sind sie am Limit des technisch Machbaren – basierend auf der gegenwärtigen Technologie. Diese riesigen Schiffe benötigen unglaubliche Mengen an Wasserstoff, um sich durch die Sprungpunkte zu bewegen. – Unsere Wissenschaftler glauben, dass mehr als neunzig Prozent dieser Energie dabei nicht verbraucht werden, sondern durch einen Verlust an Wirkungsgrad direkt Spannungen im lokalen Potentialprofil des Sprungpunktes erzeugen oder aber verstärken.«
Ramone kniff die Lippen zusammen und fixierte die Augen der Benedictine. »Das verstehe ich so, dass das Zentrum nicht in der Lage ist, diese Spannungen wieder abzubauen – selbst wenn sie nun eine neue Technologie entwickeln würden – stimmt das?«
Raoula überlegte, bevor sie antwortete, und grub ihre Zehen unter die Oberfläche des heißen schwarzen Sandes. »Darüber gibt es keine einhellige Aussage – weder unserer Wissenschaftler noch der Informanten. Einige sind der Ansicht, dass die Huds der Königreiche eine Tor-Technologie entwickelt und getestet haben, die ihre Energie aus einem kontrollierten Abbau von Potentialunterschieden gewinnt – als wenn sie Wasser von einem Gebirgssee ins Meer ablaufen lassen – und dadurch sehr wohl in der Lage wären, das Problem des Zentrums zu lösen.«
Ramone wartete geduldig auf den nächsten Teil der Erklärung.
»Andere Stimmen sagen, diese Technologie sei instabil und würde bei einem Zusammenbruch der Verbindung zu einem unkontrollierten Potentialausgleich führen, der vollständige Sektoren zerstören könnte – also genau das herbeiführen, was die Zentrumssektoren bedroht und was sie abwenden wollen.« Raoula sah Ramone in die roten Augen. »Nein, Mutter, meine Informanten gehen nicht von einer Bedrohung für uns aus – es sei denn -«, sie machte eine Pause und senkte den Blick.
»Ja?«, fragte die Urmutter nach.
»Es sei denn, die Bedrohung wird im Zentrum real, das heißt, es kommt zu einer unkontrollierten Potentialentladung, die stark genug ist, eine Kettenreaktion in Gang zu setzen …«
»… die uns treffen könnte«, vervollständigte Ramone den Satz nachdenklich.
Die Benedictine schwieg. Ihre linke Hand strich Wellenmuster in den schwarzen Sand, der auffrischende Wind trieb das Wasser jetzt fast bis an den Fels, auf dem Ramone saß.
»Das sind gute Nachrichten, Kind.«
Raoula sah überrascht zur mächtigsten Frau im Roten Nebel auf.
»Es wäre ein Ereignis wie in der Schöpfung, Liebes – die Reinkarnation des gesamten Volkes – ja des gesamten Roten Nebels!« Ramone lächelte in sich hinein, rutschte vom Felsen und strich der Benedictine sanft über den Kopf. »Das sind gute Nachrichten«, wiederholte sie langsam. »Das Zentrum wird die Königreiche angreifen müssen – würden sie zu uns kommen, würden sie das Problem nur hinausschieben – aber in den Königreichen könnten sie es lösen, wenn sie die Technologie bekommen und beherrschen lernen.« Die Urmutter reichte Raoula eine Hand und zog sie sanft in den Stand.
Ihre Augen trafen sich und Raoula erschrak beim dichten Blick in die filigranen, künstlichen roten Augen Ramones.
»Die Urmütter haben lange darauf warten müssen. Wir warten, bis sie sich bekriegen, bis sie schwach sind und um Hilfe betteln, Liebes – und dann wird die Kirche ihnen helfen.«
Ramone hielt ihre Hand fest und drehte sich um. »Lass uns zurückgehen, Kind. Die morgige Promotion wirft ihre Schatten voraus.« Sie gab einem Ritter ihrer Leibgarde, der am Sichtbereich seines elektronischen Visiers, mehrere hundert Meter entfernt am Strand, gewacht hatte, ein Handzeichen. »Die Lehensritter der Inneren Sphäre erwarten meine Teilnahme am Abendmahl und ich möchte, dass du mich begleitest, Liebes. Wir müssen unsere eigenen Vorbereitungen für die kommende Auseinandersetzung zwischen dem Zentrum und den Königreichen treffen, die Promotion kommt gerade recht.«
*
Raoula stand exakt zwei Schritte hinter Ramone und einen Schritt zu ihrer Rechten versetzt. Die Urmutter und sie hatten anlässlich der Ritterpromotion ausschließlich Rot angelegt und meditierten im Dämmerlicht des Vorbereitungssaals. Raoula hielt ihren Kopf in Demut leicht nach vorn geneigt, ihre Hände vor der Brust ausgestreckt, die Handinnenseiten aneinandergelegt, das kleine Benedictinen-Zepter, in der Form einer gegenläufig geschwungenen Doppelsichel, behutsam festhaltend. Seit einer halben Stunde verharrte sie bewegungslos, mit dem Blick über den leicht strukturierten,
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