Coruum Vol. 2
knapp drei Meter großen Scheiben befand sich ein Ritter – auf dem Rücken liegend, ohne Waffen und Helm in roten Gewändern, an Armen und Beinen von dem schwarzen Material festgehalten – bewegungsunfähig.
Die Benedictine nickte dem Primus zu. Die erste Scheibe bewegte sich auf eine zentrale Position auf der Plattform zu.
Die Stimme des Primus dröhnte durch das Stadion. »Garderitter Rafael 11., beschuldigt der Unfähigkeit und der Feigheit vor dem Feind, verantwortlich für den Verlust von mehr als zweitausend Rittern unter seinem Kommando auf Sabeene II .«
Unnötig zu erwähnen, dass Sabeene II nicht erobert werden konnte, dachte Raoula ohne Mitleid. Wäre es Rafael gelungen, wäre er als Held gepriesen worden – auch wenn er dabei zwanzigtausend Ritter geopfert hätte.
»Geständig!«, ergänzte der Primus.
Natürlich, am Ende gestehen alle.
Die erste Antigrav-Scheibe mit Rafael 11. drehte sich in Position vor der Benedictine, die dem Zweifler ins Gesicht sah.
»Du warst ein anerkannter Ritter unserer Kirche, Rafael«, sagte sie, »gibt es etwas, was ich für dich tun kann?«
»Erlöst mich, Mutter. Ich bedauere mein Versagen und – «, begann der Garderitter mit letzter Kraft und schmerzverzerrtem Gesicht, während das Echo seiner Worte verstärkt aus dem Stadion zurückbrandete. Mikrowellen-Projektoren im Inneren der Antigrav-Scheibe sorgten dafür, dass die Zweifler nicht auf die Idee kamen, vom formalen Text des Rituals abzuweichen.
»Du möchtest noch etwas hinzufügen?« Raoula sah in das junge Gesicht Rafaels 11., sah die Wunden, sah seine Verzweiflung, sah die Entschlossenheit, weiter zu sprechen.
»Verschont meinen Knappen!« Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg in ihre Nase. Das Knirschen der zusammengebissenen Zähne Rafaels drang an ihre Ohren.
Sie wartete auf ein Zeichen des Primus. Wenn der Knappe Rafaels noch am Leben war, würde er jetzt nicken.
Der Primus schüttelte hinter dem Garderitter langsam den Kopf, zu spät.
Raoula hatte mit nichts anderem gerechnet. Knappen standen immer treu zu ihren Meistern, das war ihre Aufgabe. Die Kirche ging das Risiko einer möglichen Vergeltungsaktion nicht unnötig ein. Urteile über Ritter betrafen fast immer auch sämtliche Knappen und Angehörige.
»Es tut mir leid, Ritter, dein Knappe wollte dir folgen«, gab sie ihm die formale Antwort, trat einen Schritt von der Antigrav-Scheibe zurück und nickte dem Primus erneut zu.
Lautlos bewegte sich die Scheibe von der Plattform herunter und begann eine weite Schleife über das Stadion zu ziehen. Ein elektronisches Summen lag plötzlich über den Anwesenden auf der Plattform. Um die Lanzenspitzen hoch über ihren Köpfen glühte eine gleißende Aura.
Raoula hob ihr Zepter. »Sehe!«
Zeitgleich fuhren dünne Plasmafäden aus den Spitzen der Lanzen, vereinigten sich im Zentrum der Antigrav-Scheibe über dem Stadion und ließen sie wie eine Nova kurz aufleuchten. Danach war der Himmel wieder klar. Die Knappen jubelten ihr zu. Raoula sah den Primus an – die zweite Scheibe bewegte sich auf die zentrale Position der Plattform zu.
»Vater Debruhik, Abt von Serkan. Beschuldigt der unverdienten Reinkarnation«, dröhnte die Stimme des Primus durch das Stadion.
Raoula sah auf den alten Mann hinab.
»Geständig«, echote die Stimme des Primus von den Rängen zurück an ihre Ohren.
»Vater, du hattest ein erfülltes Leben – warum hast du dein Ansehen und dein Erbe durch so eine empörende Tat gefährdet?«, fragte sie den Abt.
»Ich – ich habe etwas entdeckt!« flüsterte er zurück, mit scheuem Blick die Urmutter streifend, welche ihn aufmerksam beobachtete.
»Ich muss es Euch sagen, Mutter!« Raoula beugte sich zu ihm hinab, nahm seinen schlechten Geruch war, sah die unzähligen Falten in seinem vom Alter geprägtem Gesicht und wandte ihm ihr Ohr zu.
»Jetzt ist die Zeit dafür, zu bekennen, Sohn«, sprach sie ruhig die formelle Beichtformel.
»Einem furchtbaren Geheimnis war ich auf der Spur. Ich brauche viel Zeit, um es zu ergründen, Mutter«, begann er flüsternd. »Ich brauche einen neuen Körper. «
Raoula verharrte unverändert mit ihrem Ohr über seinem Mund gebeugt. Sonnenstrahlen blitzten im polierten Mysalik der Sichelklingen des Zepters von Ramone.
»Welches Geheimnis, Sohn? Sag es mir, bevor es mit dir für immer verborgen bleibt.«
Mit letzter Kraft setzte er zu einer Antwort an.
»Ich – ich weiß, wer der Mörder von Aon – aaargh. « Raoula richtete sich auf
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