Coruum Vol. 2
erlöschen, wäre eine die Archivstadt vernichtende Explosion die Folge, ausgelöst aus der Reaktion der Antimaterieprobe mit dem Raumschiffstahl des umgebenden Strahlenschutzmantels, der Fähre und des Raumhafens. Solange sich die Bombenkonstruktion nicht innerhalb der Stasiskapsel befand, würde er nicht über die Verwendung des Septidvorrats nachdenken. Wenigstens hatte der falsche Gildenhändler Wort gehalten, was das Entgelt für die Recherche in Manifestum anbelangte – auch wenn er auf den überwiegenden Anteil davon nun als Bezahlung für die fachgerechte Entsorgung der Antimaterie-Bombe durch die Gilde wieder verzichten musste.
Seine faltigen und mit Altersflecken überzogenen Hände stützten sich fest auf die Brüstung. Sein Körper war alt. Er spürte die Last der vielen kleinen Defekte, die sich bei Erreichen der biologischen Grenze ab neunzig Jahre einzustellen begannen und seinen Wirkungsradius mitleidlos reduzierten.
Das Gildenschiff mit der Kapsel sollte heute eintreffen, fünf Tage nachdem ihm Snar Es’Menah entkommen war, mitsamt den Informationen aus dem Archiv.
»Vater!« Der Abt hob den Kopf ohne sich umzudrehen und wartete auf die Meldung des Ritters, der sich lautlos von hinten genähert hatte. »Das erwartete Schiff des Cektronns ist eingetroffen. Ten O’Shadiif hat ein Empfehlungsschreiben der Benedictine übermittelt und bittet darum, Euch treffen zu dürfen.«
Vor der Zeit, dachte Rastolon mit einem Anflug von Zorn, vor der Zeit, mein lieber Ten.
»Ich werde mit ihm das Mittagsmahl einnehmen. Zeigt dem Cektronn einstweilen die Stadt, wenn er es möchte«, erwiderte er, den Blick auf den fernen Horizont gerichtet.
Es geht etwas vor, und wieder bist du ein Teil davon, mein lieber Ten.
Eine Strähne seines langen weißen Haars hatte sich aus dem strengen Zopf befreit und wehte über das Gesicht des Abtes. Er drehte sich entschlossenen Schrittes um, einem großen transparenten Behälter zu, der auf dem dunklen Holz eines langen Tisches auf der Turmplattform stand.
Vor drei Tagen hatte er eine Nachricht der Benedictine erhalten – eine ungewöhnliche Nachricht, welche ihn zutiefst misstrauisch gemacht hatte. Sie schickte ihm detaillierte Informationen, die er dem Cektronn des Zentrums Geheimdienstes zuspielen sollte, wenn dieser die Archiv-Stadt besuchen würde. Natürlich würden die Informationen nicht überreicht, sondern in Form kodierter Dokumente in die Archive eingebracht werden. Ten O’Shadiif musste sie nach einer aufwendigen Recherche selbst finden, sollte er an ihren Inhalt glauben.
Diese Anweisung wies zu offensichtliche Parallelen zum Besuch des falschen Gildenhändlers vor fünf Tagen auf – lediglich mit dem Unterschied der vertauschten Rollen und dass er selbst es gewesen war, der nach dem Besuch von Snar Es’Menah die echten Hinweise aus dem schier unendlichen Strom verschlüsselter Informationen herausfiltern musste.
So sehen wir uns also wieder, mein lieber Ten, formte sich ein kontrollierter hasserfüllter Gedanke in Vater Rastolons Kopf. Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst, aber ich habe dich nie vergessen!
Es wäre das zweite Wiedersehen – nach dem Treffen mit Seers O’Lamdiir, das zugegebenermaßen recht unerfreulich für den übergelaufenen Kirchenspion geendet hatte – innerhalb weniger Tage mit einem Beteiligten seines Abstiegs aus den hohen Rängen der Kirche. Doch diesmal traf er auf den Drahtzieher der schmachvollen Niederlage, die er vor zweiundzwanzig Jahren erlitten hatte und von der er sich jetzt zu erholen gedachte. Wie amüsant, dachte Rastolon, dass ausgerechnet du, mein lieber Ten, der in der Zwischenzeit zum Führer des mächtigen Zentrums-Geheimdienstes aufgestiegen ist, mir dabei helfen wirst.
Er stand vor dem transparenten Behälter und blickte mit hellen Augen hinein. Es handelte sich um ein weiteres Geschenk des falschen Gildenhändlers. Aus dem mit Makrobot-Lösung gefüllten Behälter konnte Seers O’Lamdiir den Blick des Abtes nur noch leer erwidern – er hatte seine letzten Gehirnströme spät in der Nacht nach aufwendiger Gedankenscanner-Befragung durch Vater Rastolon eingestellt. Vorher hatte der Abt jedoch alle Antworten auf seine Fragen erhalten. Vor allem auf die Frage, wer vor zweiundzwanzig Jahren ein so verlockendes Angebot machen konnte, dass sein bester Spion im Zentrum die Seite wechselte und mehr als neun Spionage-Zellen der Kirche diesem Wechsel opferte. Ten O’Shadiif hatte sich mit diesem Coup
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