Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coruum Vol. 2

Coruum Vol. 2

Titel: Coruum Vol. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
Vom Netzwerk:
gemeinsamen Kinder zu retten. Raoula streckte den Arm mit dem Zepter vor sich aus. Mit der anderen Hand trennte sie das Zepter in zwei sichelförmige Hälften, deren Schäfte graue monomolekulare Schneiden entblößten. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Ramone sich an den linken Rand der Antigrav-Scheibe begab, und fühlte ihren Blick.
    Ihre Hände begannen leicht zu zittern, als sie eine Zepterhälfte auf die linke Hand des Lehensritters zu bewegte, welche sich bei ihrer Bewegung öffnete, den Griff des Zepters übernahm und fest umklammerte. Sie musste um die Antigrav-Scheibe herumgehen zur rechten Hand des Lehensritters. Wieder schlossen sich die Finger fast gierig um den Griff der zweiten Zepterhälfte. Der Blick des Ritters fixierte sie. Ruckartig drehte er den Kopf in ihre Richtung, kniff die Augen gegen das Sonnenlicht zusammen.
    Ja – ich bin es, Damon , dachte sie, entsetzt darüber, dass er sie zu erkennen drohte.
    So ist es gut, Liebes. Nun hilf ihm, seine Ehre zu retten.
    Ich kann nicht, Mutter – ich kann nicht!
    Denk an seine Söhne, Kind – seine Söhne, Liebes. Du musst loslassen! Das ist deine Prüfung.
    Raoula schloss die Augen.
    »Lehensritter Damon, die Urmutter gewährt deinen Söhnen Gnade. Richte dich selbst!« donnerte die Stimme des Primus durch das Stadion.
    »Raoula – hilf mir! «, hörte sie die schwache Stimme des Ritters, der nur mit Mühe die Kraft aufbringen konnte, seine Hände zu heben.
    Nein! , antwortete Ramones Stimme in ihren Gedanken.
    Raoula fühlte Feuchtigkeit auf ihren Wangen. Ein Teil ihres Unterbewusstseins registrierte überrascht, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wann sie das letzte Mal geweint hatte.
    Durch einen Schleier von Tränen erkannte sie bestürzt, dass Damon zu schwach war, die Klingen richtig über seinem Herzen zu positionieren und sie selbst zu klein und zu leicht, ihm beim Senken der Zepter zu assistieren. »Helft dem Lehensritter, Primus!«, befahl sie befahl sie mit brüchiger Stimme.
    Der Primus kam einen Schritt näher, zog sein eigenes Vibro-Stilett.
    »Nein!« intervenierte Ramone. Der Primus erstarrte in der Bewegung. »Er muss es aus eigener Kraft tun, sonst ist die Ehre verwirkt.«
    Das schmerzerfüllte Röcheln von Damon drohte Raoula um den Verstand zu bringen.
    Es muss sein Liebes, du musst loslassen! Ramones gefühllose Worte legten ein Tuch der Ruhe über Raoulas Gedanken. Klar lag die Lösung vor ihr. Mit einem letzten massiven Zucken der Arm- und Schultermuskulatur von Damon drangen beide Monomolekular-Klingen bis zum Schaft in das Herz des Lehensritters und beendeten sein Leiden.
    Danke, meine Gemahlin, grüße unsere Söhne, ich bin auf ewig dein! , las sie Damons letzte Gedanken, bevor sie sich aus seinem Körper und dem dahinschwindenden Geist zurückzog, um unter dem dröhnenden Jubel der Knappen und Ritter über der Antigrav-Scheibe erschöpft zusammenzubrechen.

 
Roter Nebel, Tempelton IV, Manifestum, Archiv der Kirche
30397/1/13 SGC
12. Oktober 2014
     
     
Vater Rastolon
     
    Der hagere Alte stand an der Brüstung des hohen mit Sandstein verblendeten Studienturms. Hier oben wehte immer ein angenehm erfrischender Seewind, der über die erodierenden Kuppen des umgebenden Kraterringwalls von Manifestum strich. Der Überhang der obersten Turmplattform spendete wohltuenden Schatten in einer Stadt, die sich, nur wenige Grade nach Süden verschoben, neben der Äquatorlinie von Tempelton IV befand.
    Vater Rastolon, der Abt der Archivstadt der Kirche, blickte über die erdfarbenen Dächer und Höfe von Manifestum hinweg in Richtung des Raumhafens, auf dem noch immer die Fähre des falschen Gildenhändlers Snar Es’Menah stand – isoliert vom Rest des Hafens – mitsamt ihrer tödlichen und zugleich kostbaren Fracht an Bord. Er konnte den Worten des falschen Gildenhändlers nicht vertrauen – die Antimaterie-Bombe wäre jetzt inaktiv – als wenn es einen physikalischen Unterschied zwischen aktiver oder inaktiver Antimaterie geben würde. Er hatte den Rittern befohlen, alles unverändert zu lassen und auf das Eintreffen des Gildenschiffes mit der Stasiskapsel zu warten. Solange konnte er nur hoffen, dass Snar Es’Menah – oder wie immer sein richtiger Name war – ausreichend Treibstoff für den Fusionsreaktor in der Mantelkonstruktion der Bombe vorgesehen hatte, um das schützende Magnetfeld des Antimateriekerns aufrechtzuerhalten. Würde die Fusion zum Erliegen kommen und die Kapazität der Pufferbatterie

Weitere Kostenlose Bücher