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Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
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Arrangement der Kuppelbemalung wurde auf den ersten Blick deutlich. Beginnend mit einem Urknall in der Nähe des Bodens auf der linken Seite, entfalteten sich Raum und Elemente zu Materiewolken und kondensierten dann zu Sonnen und Planeten. Erdzeitalter lösten sich ab und formten die festgewordene Erde der Prä-Sole-Sourcer. Immer komplexer wurde das Beziehungsgeflecht auf der Kuppel, als neben geologischen Informationen die Evolution der Flora und Fauna hinzukam und sich, logarithmisch verzerrt, bereits in der Kuppelmitte – auf der halben Strecke, aber nach 99 Prozent der Zeit – die ersten Hominiden hinzugesellten.
    »Don?« Fergus saß zwanzig Meter von Karen und mir entfernt auf dem Boden, beide Arme nach hinten abgestützt. »In welchem Land sind wir im Moment?« Er war der Kleinste von uns, deshalb musste ich ihn in seinem blauen Anzug und Helm nicht lange suchen.
    »Grenzgebiet von Uganda zum Kongo«, antwortete ich grinsend. »Haben wir in den Siebzigern in die Unabhängigkeit entlassen.«
    »Mist!« , sagte er. »Ich würde hier drin gern eine Universität errichten – würde jegliche Diskussion über die Urknall-Theorie schlagartig und für immer beenden.«
    »Die ist bereits beendet«, meldete sich Warren routiniert. »Mich würde dagegen die neue Diskussion über die Beschleunigung der Sole-Sourcer-Entwicklung im Vergleich zu den anderen Hominiden interessieren!«
    Er stand vor dem Holodisplay, das uns in die Kathedrale gefolgt war und jetzt einen Ausschnitt der Kuppel stark vergrößert anzeigte. Jede Hauptlinie war mehrfach unterteilt und wurde pausenlos von Nebenlinien gestützt oder vereinte sich ihrerseits mit anderen, neu hinzukommenden Hauptlinien.
    »Ihre Zeiteinheit wird unser heutiges Jahr gewesen sein«, begann er eilig. »Bis hierhin sehen wir einen Evolutionsbaum des Menschen, sicher wesentlich umfassender als alles, was ich bisher kenne – aber von der Struktur her vergleichbar. Hier – «, er deutete auf eine rot schillernde Hauptlinie, »- wird die bestehende Vielfalt der Linien abgewürgt. Das müsste vor ungefähr zwei – bis drei Millionen Jahren gewesen sein – wenn ich diese Symbole hier richtig interpretiere.« Sein Finger rührte in der Luft um ein paar verschlungene Zeichen herum. »Danach gibt es nur noch zwei Hauptlinien. Diese hier verzweigt sich stark und ähnelt nach kurzer Zeit wieder der Gesamtstruktur vor diesem Einschnitt. Ich würde sagen, das ist unsere . Die andere verzweigt sich fast überhaupt nicht mehr in den folgenden Hunderttausenden von Jahren bis hier.«
    Sein Finger verharrte an einem Symbol, dass wir alle kannten. Es waren die beiden senkrechten, parallelen Linien mit dem Knick zueinander und den fünf unterteilenden Strichen in der eingeschlossenen Fläche. »Hier taucht es zum ersten Mal auf.« Er drehte sich zu uns um. Hinter dem silbernen Visier konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Was hat sie auserkoren, die Führung zu übernehmen?«
    Ich hörte seine Frage, speicherte sie als rhetorisch ab, denn beantworten würde sie keiner von uns können. Mein visierverstärkter Blick folgte der Hauptlinie weiter über den Zenit hinaus, auf der anderen Kuppelhälfte wieder hinunter, bis sie an der Decke des Eingangs des Tunnels endete, der zum Schacht führte. Dieser zweite Teil war von der Entwicklung der Sole-Sourcer geprägt. Unglaublich detaillierte Bildfragmente lösten das Übergewicht der zeichenorientierten, linken Kugelhemisphäre ab. Es war, als habe ein wahnsinniger Künstler jedes Ereignis in der mehrere zehntausend Jahre umfassenden Daseinszeit der Sole-Sourcer auf der Erde akribisch dokumentieren wollen. Obwohl ich in den zwei Stunden, die wir uns nun hier in der Kathedrale aufhielten, nur einen winzigen Bruchteil des Gesamtwerkes betrachtet hatte, war ich mir über die Veränderung meines Bewusstseins durch diese Entdeckung im Klaren. Hundert Mal stärker als die Öffnung des Archivs und des Depots in Coruum, selbst intensiver als das Treffen mit den Besuchern, offenbarte sich mir hier in dieser Höhle die Tatsache, dass es etwas gab, was wir uns im Entferntesten niemals hatten vorstellen können – woran kein heute lebender Mensch jemals gedacht hatte. Mein Visier knisterte und zeigte einen neuen Anwesenden in meinem Rücken. Ich drehte mich um. Der ungetarnte, drei Meter hohe Anzug des Certeers stand nur wenig entfernt. Während ich hinsah, glitt das Sensorband, das den Anzug nach oben hin abschloss und vom linken Ellenbogen

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