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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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hoffe ich, Darius erwacht. Das eigene Haus erstickt in Starre, wenn man auf etwas wartet und sich nicht bewegen mag. Ich decke den Tisch, schneide – wieder rücksichtslos laut – Salami und Schinken mit der Maschine in dünne Scheiben und atme erleichtert aus, als ich Schritte auf der Treppe höre.
          »Guten Morgen.«
          Darius steht nackt in der Küche, die Falten des Bettlakens haben sich in seine Haut gedrückt, in seinen Wimpern klebt noch Schlaf.
          »Habe ich dich geweckt?«
          »Das wolltest du doch auch.« Er grinst. Trotzdem schaue ich kurz zu Boden wie ein ertapptes Kind.
          »Ja«, gebe ich zu.
          Darius schnuppert, schaut ins Wohnzimmer auf den Tisch. »Mit so köstlichem Duft darfst du mich gern wecken.«
          Ich hole die Pfannkuchen aus dem Ofen, Darius trägt die Kaffeekanne ins Zimmer, wir setzen uns einander gegenüber und schauen uns an. Er nackt, ich im Bademantel. Erinnerungen entführen mich in eine Hütte im Allgäu, fernab von anderen Häusern, die Gardinen trotzdem zugezogen. Ich träume mich in eine Woche lauschiger und langer Nächte, in denen wir geredet und gespielt haben. Wie wenig habe ich damals von ihm erfahren?
          »Guten Appetit«, wünsche ich und reiche Darius den Teller mit den Pfannkuchen.
          »Wie spät ist es eigentlich?«
          »Etwa halb zehn.«
          Darius nimmt einen Pfannkuchen, sieht mir dabei zu, den Honig über meinen zu streichen, macht es mir nach, isst einen Bissen und sagt mir vollem Mund: »Scheiße.«
          Im Radio singt Robbie Williams »Misunderstood«. Ich schlucke hinunter, brauche ein bisschen, um zu begreifen, dass sich der Ausspruch auf die Frage nach der Zeit bezieht.
          »Ich hätte wohl besser gestern Abend schon gefragt, wann du heute arbeiten musst?« Arbeit findet in meinem Leben nicht mehr statt. Ich muss nicht mehr nach der Uhr leben, die Galerie nicht mehr pünktlich öffnen, keine Auftragsbilder rechtzeitig fertigbekommen. Ein Luxus des Alters. Ich habe seit Jahren nicht mehr gemalt, nicht mal aus Freude daran.
          »Ich hätte dran denken müssen.«
          »Wann musst du denn anfangen?«
          »Um zehn.«
          »Ruf an, du bist krank«, sage ich. Darius schüttelt den Kopf. »Ich sage nur, dass ich später komme. Kannst du mich hinfahren?«
          Ich nicke. Er steht schon, schiebt sich noch einen Bissen in den Mund und läuft die Treppe hinauf, um sich anzuziehen. So schnell kann ich nicht mehr, aber ich folge ihm.
          Bevor wir losfahren, sieht er noch einmal auf den Frühstückstisch. »Darf ich ein paar davon mitnehmen?«, fragt er mit Blick auf die Pfannkuchen. Wieder nicke ich, hole eine Plastikdose.
          Im Auto schweigen wir. Ich möchte ihn fragen, ob ich ihn auch wieder abholen darf, wenn er fertig ist. Ob er bei mir leben will, solange er es möchte. Aber ich konzentriere mich auf den Verkehr, ärgere mich über das kleine Krokodil »Schnappi», das im Radio besungen wird. Darius schaut manchmal zu mir, meistens jedoch auf die Straße. Auf seinem Schoß die Plastikdose. Ich frage nicht einmal, was sein Chef am Telefon gesagt hat. Vor dem Pupasch an den Landungsbrücken halte ich an, schalte das Radio aus, aber lasse den Motor laufen.
          »Danke«, sagt Darius und gibt mir einen Kuss. Einen offenen Kuss für jeden zu sehen, doch niemand achtet darauf. Wäre das doch damals schon möglich gewesen …
          

10.
          
          Das Gewicht des Rucksacks drückte meine Schultern nieder. Wir stapften über leicht aufgeweichte Wege. Es taute. In der Bahn schon hatte ich Darius gefragt, was es für eine Hütte wäre, in die wir fuhren.
          »Einfach eine Hütte, nichts Großes. Ein paar Zimmer mit Betten drin, eine Küche, eine Gaststube. Mehr nicht. Im Winter ist sie nicht bewirtschaftet und steht leer.«
          Im Bus hatte ich noch einmal unruhig gefragt: »Aber wir dürfen hinein?«
          »Natürlich.«
          Ich wurde das Gefühl nicht los, irgendwo einzubrechen und dabei erwischt zu werden. Dabei war es doch unser festes Ziel, ein Verbrechen zu begehen, jedenfalls meines. Kam es da auf einen Einbruch noch an?
          Neugierig folgte ich Darius, mein Rücken schmerzte etwas, die Schritte fielen schwerer, aber es war wirklich kein Haus mehr zu sehen. Fernab der Straßen kam uns auch kein Wanderer entgegen. Wir hätten herumtollen können wie ein

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