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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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verliebtes Paar, ohne jemanden zu stören. Aber ich war müde, hatte Hunger und hoffte, bald am Ziel zu sein.
          »Und im Sommer bewirten deine Eltern die Hütte?«
          Darius drehte sich nicht um. Bei dem Wind wäre es ein Wunder, wenn er mich überhaupt gehört hätte. Endlich bog er in einen Waldweg. Hier war es weniger matschig, dafür kühler. Ich holte auf, der Weg war breit genug, neben Darius zu gehen.
          »Du hast es bald geschafft«, sagte er lächelnd. Dabei hatte ich mich gar nicht beschwert.
          »Ich bin schon neugierig.«
          Der Wald lichtete sich. Obwohl der Himmel über uns grau war, wurde es so hell, als schiene die Sonne. Im Schutz einer Erhebung drückte sich die Hütte an den Hang. Sie war größer, als ich sie mir vorgestellt hatte, fast ein richtiges Einfamilienhaus mit zwei Etagen und einem hölzernen Balkon. Das Holz war dunkel gebeizt, aber nicht verwittert. Auf der Terrasse und vor der Eingangstür lag Laub. Darius öffnete eine unauffällig in das Holz gebaute Klappe neben einer Regenrinne und holte ein Schlüsselbund heraus. Während ich den Rucksack absetze und fror, ging mein Freund um das Haus und öffnete die Vorhängeschlösser vor den Fensterläden und Türen. Erst danach nahm er einen neuen Schlüssel und öffnete das Haus.
          »Herzlich willkommen«, sagte er und trat ein. Ich folgte ihm. Drinnen war es dunkel. Nur durch die Tür kam ein bisschen Licht ins Haus. Die Fensterläden waren von innen noch mit Flügelschrauben befestigt, die Darius löste. Mit jedem Fenster wurde es heller. Ich stand im Gastraum zwischen Bänken und Tischen aus hellem Eichenholz. Der Fußboden war aus schlichten Fichtenholzlatten gezimmert, denen die Zeit eine dunkle Patina gegeben hatte. Dem Eingang gegenüber stand ein Kneipentresen mit ein paar Hockern und einer Zapfanlage. Meinen Rucksack stellte ich auf dem Fußboden ab.
          »Kann ich dir helfen?«
          Es war kalt in der Hütte und ich hätte mich um Feuer kümmern können, aber ich sah weder Feuerholz noch einen Ofen. Auch hätte ich die Konserven auspacken können, wenn ich gewusst hätte, wohin damit. Drei Türen waren in der Stube zu sehen, alle dunkelgrün gestrichen. Fremd, wie ich mich fühlte, traute ich mich nicht, nachzusehen, was sich dahinter befand, sondern wartete nutzlos, bis Darius mir das Haus zeigen würde. Von einer Hütte konnte man angesichts der Größe kaum reden. Aber Wanderer nannten ihre Rasthäuser nun einmal so.
          »Nein«, sagte Darius. »Warte, bis ich Licht und Luft in die Räume gelassen habe, dann zeige ich dir das Haus.« Ich folgte ihm schweigsam durch eine der Türen eine Treppe hinauf in die erste Etage. Im Flur verschwand er wieder in der Dunkelheit. Anhand der Geräusche konnte ich hören, dass er in eines der Zimmer ging, um auch dort die Fensterläden zu öffnen. Ich tastete mich in ein anderes Zimmer, dort bis zur Wand und nach den Flügelschrauben, rechts und links neben den Glasscheiben. Die Gewinde waren gut geölt, die Schrauben lösten sich leicht und die Stäbe ließen sich ohne Probleme nach draußen schieben. Es ward Licht. Nicht geschaffen, aber eingelassen. An beiden Wänden ohne Fenster waren aus grobem Holz gezimmerte Matratzenlager über drei Etagen. Nur ein kleiner dunkler Tisch stand gleich neben der Tür. Über ihm hing, unvermeidlich, ein Kruzifix mit blutendem Jesus. Die Luft roch leicht abgestanden, aber nicht staubig. Es musste regelmäßig jemand zur Reinigung hierher kommen. Ich öffnete die Fenster, schaute dabei über die brachliegenden Weiden, die sich vor mir erstreckten und versuchte mir grasende Kühe darauf vorzustellen. Darius kam ins Zimmer, schaute auf das offene Fenster, auf die geöffneten Läden und bedankte sich. »Du hast recht. Wahrscheinlich ist es gut, auch Luft in die Zimmer zu lassen, die wir nicht nutzen.«
          »Ach«, fragte ich irritiert. »Hätte ich hier nicht öffnen sollen?«
          »Doch. Ich wäre nur zu faul gewesen.« Wir gingen ins letzte Zimmer, öffneten alles und mir war, als trüge der Winter Wärme in die Hütte.
          Im Obergeschoss gab es zwei große Schlafsäle, einen für Frauen, einen für Männer, wie Darius mir erklärte. Ein dritter Raum war das Privatgemach der Hüttenwirte. Ein Zimmer mit Holzverkleidung vom Boden bis zur halben Höhe, darüber Gipswand, gelb gestrichen. Es war der einzige Raum, auf dessen glatt polierten Dielen ein Teppich lag, ein

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