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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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Pochen.
    Ein Mädchen mit schmutzigen Füßen und zerrissenen Hosen, starrte mich mit offenem Mund an. Ich lächelte ihm zu und es rannte weg. Rokan führte mich zu der Behausung, aus der die alte Frau und die Baumgeister bei unserer Ankunft getreten waren. Er zog die Decke zur Seite, die den Eingang verschloss, und ich trat ein.
    Die Luft war stickig und zäh wie Paste. Es war heiß in der Hütte, obwohl kein Feuer brannte. Meine Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten. Und dann sah ich sie. Sie lag auf dem Rücken, ausgestreckt unter einem schweren braunen Fell. Nur ihr Gesicht und eine Hand hoben sich blass von der Dunkelheit ab. Ich kniete mich neben ihren Körper, ergriff ihre Hand. „Kalt“, flüsterte ich. „Sie ist so kalt.“
    Agnès‘ Augen waren geöffnet, starrten an die Decke. Das Blau, das so intensiv wie der Atlantik an einem sonnigen Morgen gewesen war, war ausgeblichen, als hätte sich eine undurchdringliche Nebelwand darüber gebreitet, und dieser Nebel schien bis in ihr Innerstes zu dringen.
    Ihre Brust hob und senkte sich langsam und schwach; das einzige Zeichen, das erkennen ließ, dass sie noch am Leben war. Ich strich ihr die Haare aus der trockenen, kalten Stirn. „Wo bist du?“, fragte ich. „Wo bist du nur?“
    Ich spürte Tränen meine Kehle zuschnüren und Rokans Hand auf meiner Schulter.
    „Lass uns reden“, sagte er. „Draußen.“
    Wir setzten uns an das Feuer, über dem das Wildschwein brutzelte. Rokan schenkte dunkelroten Wein in zwei Becher und nahm einen tiefen Schluck, bevor er zu sprechen begann. „Es scheint, als wäre sie nicht vollständig angekommen. Ist etwas passiert, bei eurem Sturz durch den Riss?“
    „Wir sind gefallen“, sagte ich, „und dann bin ich im Bett in der Gaststätte aufgewacht und Agnès war verschwunden. Und das schon seit Jahren.“
    „Hm“, machte er und leerte seinen Becher. „Die Zeit ist keine Konstante mehr. Und offenbar hat Agnès‘ Körper einen anderen Weg genommen als ihr Geist.“
    „Aber wie konnte das passieren? Und wie können wir das rückgängig machen?“ Mein Herz raste und ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. „Sie wird sterben. Nicht wahr?“
    „Nein. Nicht solange Maya noch einen Hoffnungsschimmer sieht.“ Er sah mir fest in die Augen. „Liebst du sie?“
    Ich zitterte. Die Flüssigkeit in meinem Becher schlug Wellen und rote Tropfen fielen auf meine Hose.
    „Maya sagt“, fuhr Rokan fort, „sie könne ihren Körper und Geist vielleicht zusammenbringen, wenn sie ein Verbindungsglied findet. Jemanden, der ihr nahe steht. Jemanden, der sie liebt.“
    Ich stürzte den schweren süßen Wein hinab und stand auf, füllte meinen Becher nach. Rokan hatte die Augen geschlossen und hielt sein Gesicht in die letzten Sonnenstrahlen. „Hast du gar keine Angst, dass dein anderes Ich uns entdeckt?“, fragte ich und er schüttelte leicht den Kopf.
    „Ich bin auf der Jagd“, sagte er, „und werde nicht vor dem Tag des Blätterfalls zurück sein.“
    „Aber finden es die anderen nicht merkwürdig, dass du wieder hier bist? Noch dazu mit einer Fremden?“
    „Cat“, Rokan schirmte die Augen gegen die Sonne ab und sah mich an, „unser Volk lebt im Einklang mit der Natur. Wir nehmen hin, was ist.“
    Ich leerte meinen Becher. Die Sonne sank hinter den Bäumen und die Blätterdächer der Hütten schimmerten tiefrot wie der Wein.
    „Ein Verbindungsglied“, nahm ich das Thema wieder auf. „Und wie soll das funktionieren?“
    „Das wird Maya dir selbst erklären. Ich bringe dich zu ihr.“ Ohne auf meine Zustimmung zu warten, nahm er mich bei der Hand und führte mich in den Wald. Dort war es noch dämmriger geworden, die Baumstämme erschienen schwarz und seidig. Wir fanden Maya unter einer uralten Eiche, den Kopf auf eine der knorrigen Wurzeln gebettet, als wäre es ein weiches Kissen.
    Rokan hockte sich neben sie und strich ihr über die Stirn. „Wir sind da, Mutter.“
    „Setzt euch“, flüsterte sie, „und lauscht mit mir, was Mutter Eiche zu erzählen hat. Ihre Äste sind müde wie meine Arme. Es wird Zeit für uns, mein Junge. Es wird Zeit.“
    „Mutter Eiche wird uns alle überdauern und auch du wirst die steinerne Brücke noch lange nicht betreten. Wer sollte die Lücke füllen, die du im Stamm hinterlassen würdest?“
    „Ach, Rokan, das ist der Lauf der Welt. Das Alte muss gehen, Platz für Neues schaffen. Und du bist stark, mein Sohn, du wirst die Lücke

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