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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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eine Mischung aus nassem Tier und schweren, durchdringenden Blütendüften.
    „Ach, Langsamste unter Mutter Eiches Blätterkrone, willst du dort Wurzeln schlagen?“ Voraks Stimme klang entfernt und gedämpft und ich beeilte mich, ihm zu folgen.
    Ich stieß mir den Hinterkopf an einer Wurzel oder einem dicken Ast an und kroch um eine Kurve, unter meinen Händen befand sich plötzlich nichts mehr, ich versuchte an der glitschigen Wand Halt zu finden, rutschte ab und schlidderte in die Tiefe. Mit einem spitzen Schrei plumpste ich auf moosbedeckten Boden und hielt mir stöhnend die schmerzende Seite.
    „Passwort.“ Ich sah hinter mich und auf haarige, ziemlich schmutzige Füße. Ich ließ meine Blicke an behaarten Waden nach oben gleiten, die unter einem Rock hervorkamen, dessen Bund von einer schwammigen Fettrolle überdeckt wurde. „Passwort“, wiederholte die Stimme in genervtem Ton. Ein zu kurzes T-Shirt mit Madonna Aufdruck, eine Halskette, an der ein Schlüsselbund baumelte. Muskelbepackte Arme, ein Stiernacken, langes verfilztes Haar mit Geheimratsecken. Eine Boxernase, wulstige Lippen, ein hervortretender Überaugenwulst, unter dem mich kleine Schweinsaugen fragend anblickten. Ich kniff mich in den Unterarm.
    Der Mann – Frau? Troll? – trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. „Gütige Mutter Eiche! Vorak, was bringst du für Leute mit hierher?“
    „Entschuldige, Gar.“ Vorak stand auf der anderen Seite einer Absperrung. „Sei nachsichtig mit ihr, sie ist etwas …“ Er machte eine kreisende Bewegung neben seiner Stirn und ließ das Ende des Satzes im Raum stehen, wie einen unangenehmen Geruch. Ich schnaufte, rappelte mich auf und klopfte mir die Knie ab.
    „Sie weiß das Passwort nicht, also muss sie am Rad drehen, du kennst die Regeln.“ Gar sprach über meinen Kopf hinweg, als wäre ich gar nicht da. Oder verblödet. Ich spürte Wut in mir aufsteigen.
    „Ich bin nicht dumm!“, sagte ich. Meine Stimme zitterte und ich ballte die Hände zu Fäusten. 
    Gar sah kurz auf mich herunter und zog dann einen Vorhang zur Seite, hinter dem ein Glücksrad zum Vorschein kam. Kindische Zeichnungen auf grellgelbem Untergrund. Strichmännchen, ein Hase, eine Art Dampfmaschine, ein Glas Bier und mehrere Zeichen, deren Bedeutung ich nicht erkennen konnte.
    „Ach Gar, bitte“, schaltete sich Vorak wieder ein. „Muss das denn sein?“
    „Eine Regel ist eine Regel.“ Er – sie? - stupste mich an die Schulter und ich musste einen Ausfallschritt machen, um nicht zu fallen. „Dreh am Rad.“
    Das ist ein Traum, sagte ich mir, oder Fieber. Ich befühlte meine Stirn. Kühl. Vorak nickte mir aufmunternd zu und ich packte eine Sprosse des Glücksrades mit beiden Händen und setzte es schwungvoll in Bewegung. Im selben Moment zuckte ich zusammen und hielt mir die Ohren zu.
    Aus unsichtbaren Lautsprechern dröhnte Like a Virgin auf uns nieder, dass es mir fast die Trommelfelle zerriss. Gar wippte auf den Fersen und behielt das Rad im Blick, bis es langsamer wurde, über den Hasen und die Maschine hinweg hüpfte und schließlich auf dem Bierglas stehen blieb. Die Musik verstummte und ich verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Lider. Das passiert nicht wirklich, ich bin bewusstlos und träume.
    Vorak stöhnte und ich öffnete die Augen. Gar zog den Vorhang zu, schob die Absperrung zur Seite und öffnete eine unscheinbare Tür zu unserer Rechten.
    Ich folgte Vorak durch die Tür, die mit einem Knarren hinter uns ins Schloss fiel. „Nicht einmal am Rad kann sie drehen“, stöhnte er. „Nutzlos wie eine Badekappe im Jähnseits.“
    „Im Jenseits?“ Mir brummte der Schädel.
    „Nein, Hirnloseste, im Jähnseits, das sagte ich doch.“ Er eilte durch den düsteren Gang und ich hatte Mühe Schritt zu halten.
    „Wo gehen wir denn hin?“, rief ich ihm nach, als er hinter einer Biegung verschwand. „Warte doch!“ Ich erreichte ihn, als er im Begriff war, eine Tür zu öffnen, die wie das Maul eines Gorillas wirkte. Um den Türrahmen schlangen sich dichte braune Steingewächse, aus denen gelblich weiße Blüten ins Innere rankten. Vorak ergriff einen Hebel, der wie das Gaumenzäpfen in der Mitte hervorragte, und zog die schwere Tür auf. Ein Schwall abgestandener Luft schlug mir entgegen. Und der Lärm, der beim Öffnen herausgedrungen war, verstummte.
    Wir traten ein und ich blickte in gerötete, verschwitzte Gesichter. Baumgeister, trollähnliche Gestalten und auch Menschen, saßen an einer Theke,

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