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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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fertig war, schlug es Rokan die Faust in den Magen. „Nimm das und danke der Anwesenheit der edlen Dame, dass ich dich nicht jetzt und hier zu Apfelmus verarbeite.“ Es warf sich mächtig in die Brust und nickte mir zu. „Vorak Tyr Hjálmarr der Dritte“, sagte es mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. „Welch gütiger Schicksalsstreich verehrt mir Eure Bekanntschaft?“
    Ich klappte meinen Mund zu und wieder auf und gab ein sehr intelligentes Ähm von mir.
    „Was ist mit ihr?“, flüsterte Vorak Rokan zu, der sich zwar den Bauch hielt, aber seinen zuckenden Mundwinkeln nach zu urteilen, eher vor unterdrücktem Lachen, als vor Schmerz. „Ist sie …“ Das Männchen stellte sich auf die Zehenspitzen, neigte sich noch näher zu Rokan und ließ den Zeigefinger neben seiner rechten Schläfe kreisen. „Ist sie beschränkt, stumpfsinnig, plemplem?“ Es senkte die Stimme zu einem kratzigen Rauschen und riss die Augen auf. „Wurde sie womöglich lobotomiert?“
    „Nun ist es aber gut, Vorak.“ Rokan packte das Männchen am Kragen und schüttelte es. „Übermut ist der Tod des Mutigen, das solltest du dir einmal zu Herzen nehmen.“
    „Verzeih mir meine Schelmerei.“ Vorak deutete eine Verbeugung an. „Aber bist du dir auch ganz sicher, dass sie nicht …“
    „Schluss jetzt!“ Rokan sah sich um, drehte sich langsam um die eigene Achse und schüttelte leicht den Kopf. „Jakur“, sagte er und nickte dem Jungen zu. „Kann ich dich einen Moment sprechen?“
    Die beiden gingen ein paar Schritte und ich blieb mit Vorak zurück, der mich unbefangen musterte. Er zog etwas aus der Hosentasche und begann verzückt darauf herumzukauen. Ich erkannte, dass es sich um einen Knochen handelte, der zu einem ziemlich kleinen Tier gehört haben musste. Ich würgte und Vorak streckte mir den Knochen entgegen. „Möchtet Ihr vielleicht einmal kosten, Schönste?“, fragte er und betonte jede Silbe langsam und deutlich, als spräche er tatsächlich mit einer Schwachsinnigen. Ich schüttelte den Kopf und schaute mich nach Rokan und Jacques um, die glücklicherweise schon wieder auf dem Weg zu uns waren.
    „Vorak, sag, wo hast du mich heute zum letzten Mal gesehen?“, fragte Rokan.
    Das Männchen sah ihn an, dann abwechselnd mich und Jacques, dann wieder Rokan. Es öffnete den Mund, schloss ihn wieder, überlegte einen Moment und seufzte. „Es muss am Wetter liegen“, sagte es. „Hat der Wind dein Hirn durch die Ohren geblasen? Nicht länger als die Zeitspanne, die ein Bussard benötigt, um auf eine Maus hinab zu stoßen, ist es her, dass du mir das Mittagessen brachtest – das übrigens ganz vorzüglich gewesen ist, meinen Dank an Maya – und jetzt hast du das vergessen?“ Es trat neben Rokan, hüpfte leichtfüßig hoch und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. „Oder willst du mich zum Narren halten? Da bist du an den Falschen geraten!“ Es drehte sich auf dem Absatz um und verschwand leise schimpfend in dem Busch, aus dem Rokan es gezogen hatte. „Plemplem“, hörte ich es noch murmeln. „Allesamt plemplem.“ Dann raschelten und wackelten die Büsche, die tiefer in den Wald führten und ich schloss meinem Mund, der schon wieder offen gestanden hatte.
    „Was war das?“, fragte ich.
    „Das war ein Baumgeist, wie du selbst festgestellt hast“, sagte Rokan. „Habt ihr keine Baumgeister in eurer Welt?“
    „Ich bin nicht mehr sicher.“ Ich rieb mir über die Stirn. „Vielleicht.“
    „Ich möchte mit Maya reden.“ Rokan deutete in den Wald, wo ich eine Schneise erkennen konnte. „Es scheint, als wären wir angekommen, aber ich habe die Gegend anders in Erinnerung. Es ist, als wären wir in einem Spiegel der Vergangenheit, aber ein Spiegel, der nicht wirklich ein Spiegelbild zeigt.“
    „Du meinst, es ist seitenverkehrt abgebildet?“, fragte ich.
    „Nein und ja. Es ist richtig, aber eben nur fast richtig. Vielleicht hat uns der Riss in eine leicht veränderte Vergangenheit gebracht. Wir müssen vorsichtig sein. Ich weiß nicht was geschieht, falls wir uns selbst begegnen sollten. Also haltet euch im Gebüsch und versucht so leise wie möglich zu sein. Auch wenn ich bezweifle, dass unsere Anwesenheit unentdeckt geblieben ist.“
    „Maya.“ Jacques strich sich eine Strähne aus der Stirn. „Ich erinnere mich an Maya.“
    „Bitte, sprecht doch nicht immer in Rätseln.“ Die Geheimnistuerei der beiden ärgerte mich und ich fühlte mich ausgeschlossen. „Was hat es mit dieser Maya

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