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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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ein Wort von D ir gibst. Ein einziges Wort nur! Ich kann diese Stille nicht mehr ertragen .
    Das Ding hockt auf dem Käfigboden. Auch es schweigt. Es kämpft nicht mehr gegen die Gitterstäbe an, ist kaum noch in der Lage den Kopf zu heben. Bisweilen spüre ich seine Gedanken, seinen Hass, und mich fröstelt. Mich fröstelt, weil ich Dich in ihm spüre.
    Endlich habe ich alle Vorbereitungen abgeschlossen. Der Besitzer des Pferdestalls hält eine Kutsche bereit. Ich hoffe es ist noch nicht zu spät. Die Dorfbewohner haben Wachen aufgestellt, an den Zugangsstraßen des Dorfes, vor der Kirche, dem Getreidelager.
    Der Pastor bestärkt sie in ihrem Vorgehen, predigt Tod und Höllenfeuer von seiner Kanzel auf die verängstigten Menschen hinab. Und dann läutet die neue Glocke. Und ein neuer Scheiterhaufen lodert knisternd auf dem Dorfplatz auf. Mein Herz verkohlt mit jedem Schrei dieser gepeinigt en Kreaturen ein bisschen mehr.
    Was wird sein, wenn sie alle anderen getötet haben? Was wird sein, wenn sie ihr alleiniges Augenmerk auf Dich richten werden? Ich wünschte, ich könnte beten.

    Ich hatte die Ebene erreicht und rannte über die Wiese, auf die Stelle zu, wo ich den Baum vermutete, denn sehen konnte ich kaum noch die Hand vor Augen. Es war stockfinster, kein Mondlicht, kein Stern am Himmel. Rabennacht. Meine Seite schmerzte und ich atmete keuchend . Plötzlich packte jemand mein Fußgelenk und riss mich zu Boden. Ich fiel auf meinen Arm und ein stechender Schmerz bohrte sich vom Ellbogen bis in die Fingerspitzen. Ich kämpfte gegen den Körper an, der mich schwer ins Gras drückte. Eine Hand legte sich auf meinen Mund und ich bekam kaum noch Luft. Ich trat nach ihm, doch er ließ nicht locker, schleifte mich hinter einen Busch und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich, so dass ich mich nicht mehr rühren konnte.
    „Psst“, zischte er. „Cat, bitte sei still.“
    Jacques? Ich versuchte etwas zu sagen, doch er drückte seine Hand noch fester auf meinen Mund. Und dann sah ich sie. Konturlose Gesichter, nur vom Fackelschein erhellt. Sie tanzten über der Ebene wie Irrlichter. Ich sog die kühle Luft durch Jacques Finger. Sie liefen nur wenige Meter an uns vorbei. Ich hörte ihr heiseres Flüstern, spürte ihre stampfenden Schritte auf dem Boden. Sie bewegten sich auf den Kastanienbaum zu. Agnès‘ Kastanienbaum. Ich bäumte mich auf und Jacques drückte mich wieder nach unten.
    „Du kannst nichts tun“, flüsterte er. „Ich kann dich nicht gehen lassen.“
    Dann ahnte ich jemanden neben mir, bevor ich ihn erkannte. Rokan kniete sich hin, beugte sich tief über mein Gesicht. Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.
    „Sie ist nicht dort“, raunte er mir zu. „Vertrau mir.“ Er richtete das Wort an Jacques: „Wir können hier nicht bleiben. Aber wir können auch nicht ins Dorf zurück. Wir müssen sie in den Wald bringen.“
    „Was ist denn …“
    „Später. Es bleibt nicht viel Zeit.“
    Er beugte sich wieder zu mir herab. „Du musst still sein, wenn du leben willst.“ Seine Augen waren helle Punkte in der Dunkelheit. Er gab Jacques ein Zeichen und der Junge lockerte seinen Griff, nahm die Hand vorsichtig von meinem Mund. „Alles in Ordnung?“, flüsterte er. „Es tut mir leid, Cat, ich wollte dich nur …“
    „Schon gut.“ Ich rieb meinen Ellbogen, der immer noch schmerzte. „Was sollen wir jetzt machen, Rokan? Sie ist hier, ich bin mir sicher. Das ist der Ort aus dem Bild. Sie wollte, dass ich sie hier suche.“ Die Kälte kroch mir in die Glieder und ich zitterte. „Die Leute mit den Fackeln. Sie werden ihr etwas antun.“
    „Nein.“ Rokan berührte meine Wange. „Sie ist nicht dort. Folgt mir, wir müssen ein Versteck für die Nacht suchen. Und wir haben ein Problem, aber das erkläre ich euch später. Zuerst müssen wir hier weg. Nimm meine Hand, wir dürfen uns unter keinen Umständen verlieren.“
    Ich verschränkte meine Finger in Rokans und tastete nach Jacques Hand, der mich auf die Füße zog. Die Wolken hatten sich verzogen und einige Sterne erhellten die Nacht. Wir liefen gebückt über die Wiese, wateten durch den Fluss. Rokan führte uns zielstrebig zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch . Ich nahm eine Bewegung wahr und stockte. Rokan zog mich weiter. „Es ist in Ordnung.“
    Vor einer Gruppe dicht stehender Birken ließ er uns anhalten. „Und hier hätten wir unser Problem.“
    „Oh mein Gott. Rokan, was hast du getan?“ Ich beugte mich zu der Frau hinab. Sie war

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