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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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Schatten zweier großer Holzfässer kauerte jemand, der nun aufstand. Er strich sich die Haare aus der Stirn und steckte die Hände tief in die Hosentaschen. Er sah auf seine Füße, als er weitersprach.
    „Ich habe gewartet“, sagte er. „Bis zum Sonnenuntergang. Bis ich sicher war, dass du nicht kommst. Und ich habe mir Sorgen gemacht.“ Sein Blick wanderte zu Rokan und wurde hart. „Aber wenn ich gewusst hätte, dass es wegen dem …“
    „Jakur!“ Rokan packte den Jungen am Arm. „Vergiss nicht , mit wem du redest.“
    „Nenn mich nicht bei diesem Namen.“ Er riss sich los und wirkte plötzlich energisch und erwachsen. „Nie wieder, hörst du? Mein Name ist Jacques. Und der bin ich.“ Seine Stimme brach und er senkte den Blick, wurde zu dem schüchternen Jungen, den ich versetzt hatte.
    „Es tut mir so leid, Jacques. Ich wollte zu unserem Treffen kommen, aber ich … es war …
    „Wie kommst du überhaupt hierher?“, fragte Rokan und schnitt mir das Wort mit einer Handbewegung ab.
    Der Junge scharrte mit dem Fuß im Staub. „Ich bin euch gefolgt.“
    „Das weiß ich“, sagte Rokan. „Du schleichst so unauffällig wie eine Herde Wildpferde. Aber wie kommst du hierher ?“
    „In der Welt mit den eigentümlichen Menschen hatte ich euch verloren. Aber ich wusste, dass du dem Summen folgen würdest. Anders hat mir davon erzählt. Also wartete ich vor dem Spiegelschloss auf euch und bin euch dann gefolgt. Habt ihr mich denn nicht rufen hören?“
    „Du warst das?“ Ich berührte Rokans Schulter. „Die Stimme im Keller, das war kein Wachmann.“
    Jacques nickte. „Ich konnte euch nicht ei nholen. Es hat so furchtbar weh getan. Aber ich habe gesehen , wie ihr gefallen seid. Und da bin ich euch nachgesprungen. Es war so kalt.“ Er schloss die Augen und verzog die Mundwinkel. „Ich dachte, ich hätte euch verloren, aber dann war da dieser Durchgang. Und ich habe euch gesehen wie ihr …“
    Er sah mir kurz in die Augen und ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss.
    „Ich habe dann hier draußen auf euch gewartet“, sagte er und starrte wieder auf seine Schuhspitzen.
    Ich nestelte an den Schnüren meines Hemdes herum und zog sie zusammen.
    „Da war ein Durchgang, sagst du?“ Rokan kratzte sich am Kinn, an dem schwarze Bartstoppeln zu sehen waren. „Und das Bild ist verschwunden.“ Er hob abwehrend die Hand, als ich Luft holte. „ Möglicherweise sind wir hindurchgegangen ohne es zu bemerken? Deshalb können wir es hier natürlich nicht finden.“
    Ich sah mich auf dem Dorfplatz um. Es sah ähnlich aus wie in dem Dorf im Moor und doch ganz anders. Mein Herz schlug schneller. Wenn Rokan recht hatte, dann würden wir hier vielleicht Agnès finden. Oder einen Hinweis darauf, wo wir suchen mussten.
    „Lasst uns auf den Hügel gehen.“ Ich zeigte auf die Hügelkette, die das Dorf umgab. Die Sonne war fast vollständig untergegangen. Lange Schatten bedeckten den Boden und die Farben veränderten sich.
    Rokan wiegte den Kopf hin und her. „Wir sollten uns besser einen Schlafplatz für die Nacht suchen und Morgen entscheiden, was wir tun.“
    „Bitte, ich möchte mich umsehen, bevor es ganz dunkel ist.“
    „Nun gut, dann geh mit Jacques .“ Rokan spuckte den Namen aus, wie einen zähen Knorpel und der Junge zuckte zusammen . „Ich kümmere mich derweil um ein Zimmer. Es wäre nicht gut , die Nacht im Freien zu verbringen, solange wir nicht wissen , was uns hier erwartet.“
    Ich sah meine beiden Begleiter an, die sich mit ihren Blicken aufspießten, wie mit Speeren. Jacques senkte als erster die Augen und ich nahm seine Hand. „Komm“, sagte ich. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

    D er Boden war noch immer hart gefroren, im Schatten lagen noch Schneereste, doch die Kraft der Sonne war bereits zu spüren. Lizzie stapelte das letzte Holzscheit unter dem Bretterverschlag und drückte ihren Rücken durch, strich mit der Hand über ihren gewölbten Bauch. Dann ging sie um das Haus herum, hielt inne, als sie Stimmen hörte.
    „Es ist alles ihre Schuld!“
    „Beherrsch dich, Gabin, niemand hat Schuld. Alles und jeder geht den Weg, der ihm bestimmt ist.“
    „Du bist ein Narr. Die Hexe hat dich blind gemacht für die Wahrheit. So wie die andere meinen Sohn geblendet hat.“
    Gabins Stimme wurde zu einem Flüstern bei den letzten Worten. Lizzie lehnte sich an die Hauswand und schloss die Augen.
    „Du weißt nicht, was du redest. Hexe?“ Etienne lachte bitter. „Du nennst sie eine

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