Cosa Mia
und
hoffte, daß er nichts mitbekam. Mein Vater räusperte sich, als würde er sich um
die richtigen Worte kümmern wollen. Ich merkte sofort, daß er sich mit mir über
etwas Ernstes unterhalten wollte, obwohl mir überhaupt nicht der Sinn danach
stand. Eigentlich wollte ich nur meine Ruhe, aber das konnte ich ihm nicht
sagen, er würde nur nachstochern. Ich wartete, bis er anfing zu reden.
„Ich kann mir vorstellen, daß du bei der Villa von den
Castellis warst, die jetzt zum Verkauf steht, aber das meine ich überhaupt
nicht böse.“
„Woher weißt du davon?“
„Na die Leute erzählten davon, schon vor ein paar Tagen.“
Manchmal frage ich mich immer noch, wie schnell sich irgendwelche Informationen
und Gerüchte in einer Kleinstadt verteilen können, ohne daß es beabsichtigt
war. Erstaunlich. Aber zu jener Zeit wurde ich ein wenig gereizt, weil ich
nichts davon mitbekommen hatte, sonst hätte ich vielleicht irgendetwas tun
können! Ich hätte sie aufhalten, mich ihnen an die Fersen heften können. Ich
konnte mir aber vorstellen, dass mein Vater es mir absichtlich nicht früher
gesagt hatte, oder Sabatino wollte es nicht anders. Tja, wie
ich es drehte, es nützte nichts mehr! Solche Gedanken waren überflüssig. Ich
musste mich darauf konzentrieren, was mein Vater mir sagen wollte und
ignorierte die Verzweiflung, die mich sofort wieder ergreifen wollte.
„Ach so, ja.“
„Also Paolo, was du da erlebt hast, hat dich sicher schwer
geschockt. Nie hast du auf mich gehört, als ich dir gesagt habe, daß diese Castellis
nichts für dich sind. Ich muss mir eingestehen, dass ich erleichtert bin, dass
sie dich gefunden haben, als man dich verschleppt hatte, aber das war auch ihre
verdammte Pflicht gewesen, diese Verbrecher, diese Kriminellen! Ich hätte
sofort zur Polizei gehen sollen.“ Die alte Leier.
„Hör auf, ich kenn deine Meinung. Willst du nur das sagen?“,
gab ich schroff zurück. Ich wollte mir bloß nicht wieder diese Beschimpfungen
anhören, die er schon so oft ausgestoßen hatte. Ich konnte es nicht mehr hören.
Mein Vater blickte besänftigend.
„Nein, schon gut. Aber wir sind fast gestorben vor Angst,
deine Mutter und ich. Immer hatten wir an so etwas
gedacht, na ja. Wir sind letzten Endes glücklich, dass es dir
wieder gut geht. Nun hast du hoffentlich nichts mehr zu befürchten und dass sie
weggezogen sind, war auch das Beste für alle, glaube mir. Es ist doch besser
so, nicht wahr? Nach all dem, was passiert ist?“ Er wollte tatsächlich von mir
hören, dass ich zufrieden war, dass sie weg waren. Ich kämpfte ein Übelkeitsgefühl
in mir hoch und räusperte mich kurz, damit ich überhaupt imstande war, zu
reden.
„Ja, Vater ich bin auch froh, dass alles so ausgegangen ist.“
Da umarmte er mich ganz plötzlich.
„Mensch, du hättest sterben können, mein Junge, STERBEN!“ Ich
war ein wenig überrascht über seinen Gefühlsausbruch.
„Aber ich bin doch nicht tot, Dad. Alles ist in Ordnung.“ Er
erhob sich von mir, als hätte er ein sehr schweres Gespräch hinter sich. „Sie
sind nun fort, jetzt kannst du von vorne anfangen, mein Sohn. Und deine Mutter
muss sich diese Sorgen nicht mehr machen.“
„Von vorne anfangen..“, gab ich wie ein ersticktes Echo
zurück.
Mein Vater nickte und verließ mein Zimmer. Ich ließ mich nach
hinten auf die Bettdecke fallen und seufzte. Von vorn anfangen. Aber nicht
hier, jetzt nicht mehr. Spoleto war wie ausgebrannt für mich und voller
Schmerz. Ich musste weg. Die Schule war ohnehin beendet, ich musste weg. Das
waren die Gefühle eines ziemlich verzweifelten Jugendlichen, von einem
Ausreißer, dem Vernunft nichts zählte, dem nur sein Herz und sein Fluchttrieb
zählten und der vergessen wollte. Der wusste, dass er an diesem Ort nicht
bleiben konnte, ich wusste es ganz genau.
Und plötzlich dachte ich an Venedig, ich erinnerte mich, dass
ich als Kind da gewesen war, ich erinnerte mich an dieses viele Wasser und an
die Palazzi, die mitten drin standen, es hatte mich sehr erstaunt. Es war so
schwermütig und melancholisch und passte zu meiner Stimmung. Warum nicht nach
Venedig ziehen? Der Süden Italiens kam für mich nicht in Frage und die großen
Metropolen Rom oder Florenz auch nicht. Mein Bruder lebte in Rom und Sabatino
hat Florenz geliebt, er hatte mir davon erzählt, ich wollte jedoch nicht an
diesem Ort sein, den er liebte. Scherte er sich denn um meine
Liebe? Ich begann wieder leise zu fluchen und mir ein paar
Tränen aus den
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