Cosa Mia
Augenwinkeln zu wischen. Ich wollte nicht daran denken, ich
wollte planen. Ich hatte einiges an Geld unter der Matratze, das würden die
Fahrtkosten und die Verpflegung sein, dazu noch ein wenig gespartes Taschengeld
von meinen Eltern, ich musste alles mitnehmen, sowie ein paar Kleidungstücke,
aber viele würden nicht in meinen Rucksack passen, obwohl es ein wirklich
großer war, so eine Art Trekkingding. Am liebsten hätte ich alles sofort
hineingestopft, wäre zum Bus gerannt und zum nächsten Bahnhof gefahren, oder
ich hätte den nächstbesten Anhalter genommen auf den Weg nach Norden, aber ich
konnte heute nicht mehr weg, es war zu spät und ich wusste, dass am nächsten
Tag Vormittag ein Bus aus Spoleto hinausfuhr, den würde ich nehmen. Langsam
erhob ich mich und ging zu meinen Kleiderschrank. „Oh, du Teufel, “, flüsterte
ich. „Verlässt mich und treibst mich in die Fremde! Das ist so mies…Dein
kleiner Engel verliert nun seine Federn!“ Blöder Verbrecher, ich hasse
alle Verbrecher! Unter weiteren Flüchen und Beschimpfungen
riss ich die Schranktüren auf und durchforstete meine Garderobe, da öffnete
sich wieder meine Zimmertür.
„Paolo, was hältst du davon, wenn wir heute alle mal zum
Essen ausgehen, die ganze Familie, wir können uns einen schönen Abend machen.
Gut, dass du den Schrank schon aufgemacht hast, denn du musst dich umziehen.“
Was sollte ich dazu noch sagen?
„Okay, Mama.“ Ich lächelte sie an, dann schloss sich die Tür
wieder. Welches Ereignis, wir gingen zusammen essen? Oh, und gerade jetzt, wo
ich kaum in der Lage dazu war, eine gutgelaunte Miene zur Schau zu stellen!
Ganz ruhig, dachte ich bei mir, du bist doch ein geborener Schauspieler, wenn
es darauf ankommt, du kannst die Bissen runterwürgen als sei alles in bester
Ordnung. Wieder stiegen mir Tränen in die Augen, bleibt wo ihr seid,
verstanden, in der Nacht ist noch genug Zeit zum heulen, jetzt geht es nicht,
zurück!
Beim Essen schaute ich meiner Familie aufmerksam in die
Gesichter, denn ich würde sie so schnell nicht wiedersehen. Ich bemerkte, daß
der alte Pedro wirklich
sehr alt aussah, aber das lag auch an seiner sonnengegerbten
Haut und die kleinen Augen lugten durchaus sehr munter und lebhaft unter den
buschigen grauen Augenbrauen hervor. Mein Pedro. Man liebt seine Familie, daran
besteht keinen Zweifel, ich mochte sie alle und trotzdem versprachen sie keinen
Trost für mich, trotzdem trennte uns etwas. Ihretwegen konnte ich nicht
bleiben. Es zog mich weg. Ich aß soviel ich konnte, obwohl ich keinerlei
Appetit hatte und gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Ich trank viel
Wein, doch meine Eltern ließen mich gewähren als würden sie spüren, dass ich es
durchaus brauchen würde, nach überstandener Entführung und Krankheit, nach dem
„Abschied“ von seinen „Freunden“, dachten sie sicher, könnte ich auch schon mal
etwas mehr trinken. Jeder weiß, dass es eigentlich nichts nützt und trotzdem
wird es allgemein gebilligt und manchmal sogar gefördert. Wenn unter meinen
Bekannten Liebeskummer herrschte, sagte man: „Hier trink erst mal was und
vergesse sie.“ So betrank man sich, mehr oder weniger gepflegt und stilvoll.
Noch vor dem Frühstück hatte ich schon meinen Rucksack
gepackt, sogar den Anzug hatte ich noch hineingequetscht, ich wollte ihn
mitnehmen, auch wenn er zerknautschen würde, dabei verzichtete ich auf eine
dicke Jacke oder einen Pullover, es war ja auch Ende August und ich rechnete
damit, dass ich irgendwo eine Arbeit gefunden hätte, bevor es kalt werden
würde. Ich wusste, dass die Winter in Venedig sehr ungemütlich und feuchtkalt
sein sollen. Ich würde mir dann schon etwas kaufen können. Für den Anfang
meiner Reise hatte ich eine dunkelblaue Jeans und ein weißes leichtes Hemd an,
meine längere schwarze Kunstlederjacke hatte ich quer über die Rucksacköffnung
gelegt, bevor ich ihn zumachte, so dass sie festgehalten wurde. Geld hatte ich,
Papiere, allerlei Telefonnummern, fehlte nur noch etwas Reiseproviant, eine
Wasserflasche und mein Zahnputzzeug, das würde kein Problem sein, es aus dem
Bad zu schmuggeln. Meiner Mutter würde ich sagen, dass ich mit meinen Freunden
eine größere Radtour an diesem schönen Tag vorhatte und das war nichts Neues
für sie. Mein Vater war schon im Geschäft und meine Schwestern zur Schule, es
würde alles klappen.
„Dann hast du heute also wieder Nachtschicht im Lokal? Ich
dachte, dass sie dich erstmal für den Mitteldienst
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