Cosa Mia
nicht auf. Kein Hirte hätte
mich je gefunden, kein Hund nach mir gebellt, kein Engel kam, sondern ein
Dämon, mein Dämon. Ich hatte ihnen allen Schwierigkeiten gebracht, hatte
einen Krieg eröffnet, ich musste schuld sein, trotzdem wurde ich befreit. Wie
im Fieber merkte ich, dass ich hochgehoben wurde, ich sah in sein Gesicht und
sah Schmerz in seinen Augen. Ich bekam etwas zu trinken eingeflößt und es
schmeckte bitter, Feuer war an meinem ganzen Körper ausgebrochen und ich sah
nur noch verschwommen. Das Tageslicht brannte in meinen Augen, doch die Kühle
des Autos war angenehm. Benommen klammerte ich mich an seine
Brust, als wir los fuhren, ich konnte nicht mehr klar denken
und mir war so heiß. Er hielt mich fest und redete mir gut zu, aber ich
verstand ihn nicht mehr. „Ich kann dich nicht verstehen, Sabatino! Sag, muss
ich jetzt sterben?“ Ich sah ihn mit halboffenen Augen an und ich merkte wie er
mir über die Stirn strich.
„Das würde ich nicht zulassen, eher gehe ich ein großes Opfer
ein.“, sagte er nachdenklich in mein Ohr. Oft danach habe ich nicht mehr daran
gedacht, dass dieser Satz so zukunftsweisend werden sollte und was er mit
diesem Opfer meinte.
Ich war schwer erkrankt und sie brachten mich sofort zu
meiner Mutter und ließen den besten Arzt anreisen. Meine Mutter bestand darauf,
dass ich zu hause bliebe und nicht ins Krankenhaus geliefert werden würde, da
sie berechtigt der Meinung war, dass die Familie das beste Klima zur Genesung
bereitstellen würde. Sie bedankte sich auch bei den Castellis, dass sie mich
gefunden hätten, doch mein Vater verfluchte den Tag, da ich damals mit Emidio
in die Villa gegangen war. Geschlagene zwei Wochen war ich mit einer Krippe an
das Bett gefesselt, aber Sabatino kam öfters um mich zu
besuchen und natürlich nur, wenn mein Vater unterwegs war und
meine Mutter spürte, dass es mir gut tat und ließ ihn gewähren. Vielleicht
steckte er ihr auch ein paar Scheine zu. Er setzte sich an mein Bett, küsste
mein ausgemergeltes Gesicht und redete tröstende Worte. Wie habe ich ihn
nachher dafür gehasst, dass er in dieser Zeit so liebenswert gewesen war,
obwohl sein Entschluss schon feststand, ein Entschluss, der mir das Herz
gebrochen hatte. Doch nichts war davon zu merken, als er mich am Krankenlager
besuchte, nur vielleicht manchmal seine Augen, die melancholisch eine Weile auf
mir ruhten. Jedes Mal entschuldigte er sich, dass ich da hineingeraten war und
jedes Mal gab ich zu, dass ich es genaugenommen selbst so gewollt hatte, was er
wiederum als Unsinn abtat. Aber das empörte mich. „Glaubst du, du hättest mir
verbieten können, dich oder Emidio sehen zu wollen? Denkst du, dass es nur an
deiner Entschluss-Schwäche lag? Nein, denn ich bin kein Kind mehr und war
selbst verantwortlich, ich allein wollte es doch so! Spiel dich nicht auf, als
läge die ganze Verantwortung bei dir, nur weil du um einiges älter bist, ich wollte dich und es war meine Entscheidung, diesen
Gefühlen zu folgen. Warum nimmst du mich nicht ernst?“ Da
lächelte er und sagte: „Ich weiß ja, dass du für dich selbst denken kannst und
auch kein Kind mehr bist, so wollte ich es nicht ausdrücken.“
Aber er gab sich dennoch die Schuld. Und ich konnte sagen,
was ich wollte, ich war gewissermaßen noch ein Kind für ihn und dazu recht
töricht. Dann, eines Nachmittags verabschiedete er sich von mir, weil er
geschäftlich fort musste und es nicht aufschieben konnte. Es war völlig normal
für mich und ich konnte nicht verlangen, daß er blieb und so drückte ich ihn
fest und er drückte mich fest zurück, fast ein wenig zu fest, bemerkte ich.
Dann ließ ich ihn gehen und er drehte sich noch an der Tür zu mir hin und
lächelte traurig. „Komm bald zurück!“, sagte ich noch und er nickte langsam,
irgendwie abwesend. Aber ich erholte mich, die Hustenattacken wurden weniger
und meine Schwestern wurden zu einem erneuten Zeitvertreib solang ich an die
Wohnung gefesselt war.
Ich liebte sie und liebe sie jetzt auch noch, verstehen Sie
mich nicht falsch, aber für einen Jugendlichen sind jüngere Geschwister relativ
uninteressant und die meiste
Zeit nervig. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich
einen jüngeren Bruder gehabt hätte, doch meine Schwestern kamen allmählich in
das kritische Alter und wurden launiger. Vor allem fragten sie mich aus über
Jungs und es war schlimm genug, daß sie meine Kumpels und erst recht Emidio mit
Blicken beäugten, die nicht mehr den
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