Cosmic Trigger (Band 3)
mit
einem
gestohlenen kanadischen Pass angekommen und fügte dem ‚Louis Raynal’
einen
‚Baron’ hinzu, um seinen Lifestyle zu erhalten.
Als
er Fake! schrieb, glaubte
Clifford Irving immer noch – oder gab vor zu glauben – dass Elmyr de
Hory (?)
ein wahrer Barontitel sei, den es vor der Nazi-Invasion in Ungarn
gegeben
hatte. Doch in Orson Welles´ F For Fake lernen wir,
dass Elmyr de Houry
(?) aus dem einfachen Volk kam, wie auch Bill O’Dwyer … doch mit viel
weniger
Arbeit als der arme Bill einen viel höheren sozialen Status erlangte.
Er erklärte sich einfach zu einem Edelmann. Und in dem Chaos nach dem 2. Weltkrieg
– so
lange er sich aus Ungarn fernhielt – wusste doch niemand genug über
ungarische
Blutlinien, um ihm zu widersprechen.
Durch
einen ähnlichen und noch
mutigeren Vorgang erklärte sich Joshua Abraham Norton im Jahre 1859 zum
Kaiser
der Vereinigten Staaten. Später fügte er die Titel ‚Beschützer Mexikos
und
König der Juden’ hinzu. Er fälschte nicht Bilder wie Elmyr. Er
verteilte seine
eigene Währung. Jeder Dollar, den er druckte, hat heute das
Hundertfache seines
Wertes, da jedes Relikt von Kaiser Norton als historische Kuriosität
gilt.
Die
Moral: Behaltet eure Elmyrs,
Leute! Auch sie werden zu historischen Kuriositäten. Und erinnert euch:
Ein
gefälschter Dollar von Andy Warhol, der im Museum hängt, besitzt seinen
hunderttausendfachen Wert, wohingegen ein ‚realer’ Dollar, der durch
die
Zauberer der U.S.- Notenbank gesegnet wurde, seinen mageren Wert
behalten wird,
bis ihn die Inflation sogar noch weiter reduziert.
Und
wir wollen uns noch mal fragen,
warum ein Dollar der U.S.-Notenbank einen höheren Ausgangswert hat als
ein
Dollarschein, der auf demselben Papier mit demselben Design von der
Mafia
gedruckt wurde? Ich hatte schon eine mögliche Erklärung dessen
vorgeschlagen:
Die Beamten der U.S.-Notenbank besitzen einen Zauberstab, mit dem sie
das
Papier weihen können. Ich hatte auch vorgeschlagen, dass man diese
magischen
Scheine als einen Streich oder einen ernsthaften Schwindel betrachten
kann.
Bitte meldet euch bei meinem Verleger, wenn ihr eine plausiblere vierte
Theorie
vorschlagen könnt.
Wie man eine Fälschung fälscht
In
welchem die Magie von Orson Welles
auf das Mysterium von Madonna trifft
So back we got to these questions – friendship,
charakter, ethics.
- Miller´s Crossing
You are beautiful in your wraths, O Woman of
the Tartars.
- Genghiz Khan
Meine
Lieblingsszene in F For Fake ist die, als Elmyr seine eigene Unschuld mit der Heimtücke der Pariser
Kunsthändler vergleicht, die ihn bloßgestellt und betrogen haben. „Es
ist doch
kein Verbrechen, in dem Stil eines anderen Mannes zu malen“, sagt er.
Tatsächlich beginnen alle Studenten damit, im Stil
der verschiedenen
Meister zu malen. Dies (recht plausibel) vorweggenommen, schreitet er
selbstsicher voran: „Das einzige Verbrechen geschieht genau dann, wenn
eine
falsche Signatur auf das Bild gesetzt wird. Das habe ich niemals
gemacht.“ Pause.
Wir werden uns der Uhr bewusst, die im Hintergrund tickt.
Orson
hat diese Szene
uncharakteristischerweise mit einem Close-Up gefilmt („Die einzigen
Schauspieler, die gut mit Close-Ups umgehen konnten …“, sagte er einst
zu
Bogdanovitch, „waren Rin Tin Tin und Lassie“). Und nun nutzte er
plötzlich auch
die Montage, eine Technik, die er gewöhnlich vermied. Mit dem Ticken
der Uhr –
subtil lauter werdend (wie das Ticken der Bombe, welches Touch
of Evil eröffnet) – sehen wir mehrere Close-Ups, die zwischen Elmyr und
Clifford Irving
hin und her wechseln: Elmyr macht ein freches Gesicht, Clifford Irving
ein
zwielichtiges, Elmyr sieht unergründlich aus, Irving auch, Elmyr sieht
beschämt
oder verlegen aus, Irving (irgendwie) schuldig, Elmyr sieht amüsiert
aus (denke
ich), Irving durchtrieben (oder abgründig) … und die Uhr tickt weiter …
bis
Irving schließlich spricht.
„Die
Gemälde hatten Signaturen“, sagt
er und hört sich unsicher an.
Ein
Schnitt auf Elmyr, der sich an den
Kopf schlägt und angewidert aussieht (oder wütend?). Oder betrogen?
Diese
beeindruckende Sequenz erscheint
wie jene ‚Momente der Wahrheit’, die Regisseure des cinéma
vérité so
beständig einzufangen versuchen, indem sie alle ‚Kunst’ vermeiden.
Dabei
repräsentiert dies tatsächlich immer eine sehr künstlerische Fälschung
einer
Fälschung. Welles füllt den Film auch mit Hinweisen darauf, was er
später der
BBC sagt:
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