Cosmic Trigger (Band 3)
Madonna´s Truth or Dare“ – die
erkennt, dass jede Szene dieser angeblichen ‚Dokumentation’ (über eine
von
Madonnas Konzerttourneen) absichtlich dieselben Ungewissheiten erzeugt,
die
Welles als sein métier beansprucht hat. (Und sogar
Pribham erwähnt F
For Fake nichtals Modell für die
Strategien in Madonnas Film.) Jede
andere Kritik, die ich gelesen habe, glaubte ohne Ausnahme – wie das
Publikum
von War of the Worlds im Jahre 1938 –, dass etwas,
das wie eine
Dokumentation aussieht und klingt, tatsächlich auch einige ungeprobte
‚Momente
der Wahrheit’ enthält.
(„Wenn
es wie eine Ente aussieht, wie
eine Ente geht und wie eine Ente quakt, dann sage ich, es ist eine
Ente.“ –
Senator Joe McCarthy)
Und
doch drücken Madonnas Videos, über
die sie ebensoviel künstlerische Kontrolle wie in Truth or
Dare ausübt,
immer eine gewisse Ambiguität aus und scheinen für zwei Zuschauer immer
etwas
Unterschiedliches auszusagen. Nur in ihrem Studiofilm (wo andere den
‚Final
Cut’ machen) erscheint Madonna so einfach (und manchmal auch geistig
einfach)
wie die Madonna der Massenmedien. Genauso findet man in nur einem von
Orsons
Studiofilmen, The Stranger , einen einfach
gestrickten ‚Helden’, einen
einfach gestrickten ‚Bösewicht’ und ein einfach gestricktes Skript.
In Truth or Dare sieht man
Madonna am Grab ihrer Mutter und erfährt einen ‚Moment der Wahrheit’,
der
deutlich enthüllt, wie tief immer noch der Schock über den Tod ihrer
Mutter
sitzt. Betrachtet man die Ausleuchtung der Szene und Madonnas bewiesene
Schauspielkunst (die in ihren Musikvideos deutlicher zutage tritt als
in ihren
Filmen), trauen wir uns dann noch, diesen ‚Moment der Wahrheit’ als
solchen zu
akzeptieren oder können wir hier eine Masche vermuten? Wer hat den Film
überhaupt geschnitten?
(Madonna
agierte als Produzent und als
Co-Editor …)
Später
beobachten wir ein Treffen mit
Kevin Costner, der ja den meisten von uns als ein bemerkenswert
intelligenter
und empfindsamer Schauspieler vorkommt. Hier macht er plötzlich einen
überraschend oberflächlichen Eindruck und Madonna selbst erscheint noch
ungehobelter zu sein, als man es von ihrem Medien-Image kennt.
Bemerkenswert:
Zwei Schauspieler, die mutig das Schauspielern vermeiden, um uns die
‚Wahrheit’
zu zeigen. Kann außer dem Kritiker der Zeitung aus San José
irgendjemand an
diese Szene ohne jeden Zweifel glauben? Selbst wenn es Joyce oder
Welles
niemals gegeben hätte: Glaubt irgendein Leser von Swift an den
Enthüllungscharakter der Madonna/Costner-Szene und wundert sich
wirklich kein
bisschen?
Wie
viele Male denkst du, haben Kevin
und Madonna diese Szene geprobt, bevor sie sie tatsächlich gedreht
haben?
Was
ist mit Madonnas sexuellen
Geständnissen in diesem Film? Sie hat sich einmal als eine Lesbe
beschrieben
(in der Letterman-Show) und dann später ‚gebeichtet’, dass diese
Lesbengeschichte
nur ein Witz war. Welchem Geständnis sollen wir nun glauben?
Ich
insistiere nicht darauf, dass jede
Szene in Truth or Dare auf Welles´scher Trickserei
basiert. Ich möchte
lediglich andeuten, wie Pribham auch bemerkt, dass es bei einem
Künstler,
dessen œuvre häufig darin besteht, zu verwirren und
zu provozieren,
etwas vorschnell und unweise wäre anzunehmen, dass die
‚dokumentatorischen’
Teile des Films weniger der Ironie und Ambiguität entsprangen als einer
ihrer
‚Bühnen’-Songs und Tanzeinlagen (welche ja alle die konditionierten
Geschlechts-und-Klassenregeln parodieren). Ob man es nun mag oder
nicht, so
spielen doch viele unserer heutigen Pop-Künstler postmoderne Spiele mit
ihrem
Publikum.
Ein
weiterer Film ist in diesem
Zusammenhang erwähnenswert. Gedreht von der Schauspielerin Louise
Lasser
(bekannt aus dem Fernsehen als ‚Mary Hartmann’), erschien dieser Film
nur
einmal bei Saturday Night Live, glaube ich. Zumindest sah ich den
Kurzfilm dort
vor etwa 20 Jahren, daher erinnere ich mich nicht an den Titel.
In
Lassers kleinem Scherz sitzen ein
halbes Dutzend Schauspieler in einem Restaurant und halten Small-Talk.
Nichts
Besonderes geschieht. Nichts von Bedeutung wird gesagt. Man bemerkt nur
das
pingelige Festhalten der Regisseurin an den Regeln des Method-Acting und
des cinéma vérité : Ein ‚Stück Leben’ scheint sich
zu entfalten. Dann
vermasselt ein Schauspieler seinen Auftritt. Lasser tritt als
Regisseurin ins
Bild und schlägt vor, dass jeder einmal eine Pause machen sollte und
sie es
dann noch mal
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