Cottage mit Aussicht
glauben, dass ein so attraktiver Mann an ihr Gefallen fand, erst recht nicht, wenn sie zurechtgemacht war wie Aschenputtel in geborgtem Sonntagsstaat.
Andererseits hätte er wohl nie ein Auge auf die Frau in Arbeitshosen geworfen, die sich das Haar unter ein Kopftuch stopfte, damit es nicht in ihre Maschinen fiel, die sich mit knapper Not sauber hielt, die aber kein Make-up trug und ihr Bett häufig mit einem Hund teilte.
Aber warum sollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen? Diese Frau konnte sie geheim halten und stets würdevoll und elegant auftreten. Sie würde vielleicht sogar lernen, sich einen französischen Zopf zu flechten.
Ihre Ekstase hielt sich während der ganzen Fahrt nach Hause. Unvermeidlicherweise erlitt sie dennoch Augenblicke des Zweifels: Max wollte sie bloß ihres Körpers wegen - nur dass er ihn, falls das der Fall sein sollte, hätte haben können. Er hätte lediglich zu fragen brauchen! Er wollte nur, dass sie eine Dachbodentoilette für seine Mutter entwarf - auch das passte nicht ganz, denn er hatte sie angesprochen, bevor er von ihrer Arbeit erfahren hatte, weil er sich an sie erinnert hatte. Die realistischere Angst war die, dass er eine kurze Affäre wollte und sie dann unglücklicher und besessener denn je zurückblieb. Und genauso würde es kommen.
Als der Zug in Didcot an den Kühltürmen vorbeifuhr, hatte sich diese Möglichkeit in ihrem Kopf festgesetzt. Und doch kümmerte es sie irgendwie nicht. Sie würde den Rausch haben, die Erfahrung, im siebten Himmel zu sein. Wen scherte es da, wenn ihr Glück ein Ende fand? Im richtigen Leben heirateten Männer wie Max Gordon keine Frauen wie sie, um glücklich bis ans Ende ihrer Tage mit ihnen zusammenzuleben.
Laura und Will holten sie wie verabredet vom Zug ab. Sobald sie auf den Bahnsteig trat und auf Lauras geöffnete Arme zuging, wusste sie, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist passiert? Es ist Caroline, sie ist weggelaufen und überfahren worden, nicht wahr?«
»Oh, um Himmels willen!« Laura zog Anna fest an sich. »Wenn sie tatsächlich weggelaufen wäre, wäre sie auf eurer Gasse wohl kaum überfahren worden.«
»Wenn sie eine Katze gesehen hätte, hätte sie sie vielleicht über die Hauptstraße gejagt«, meinte Anna, die jetzt davon überzeugt war, dass das nicht geschehen war.
»Ehrlich! Hast du dich gut amüsiert?«
Es erstaunte Anna ein wenig, dass man ihr nicht von der Stirn ablesen konnte, auf welche Art genau sie sich amüsiert hatte. »Es war wunderbar, vielen Dank, und jetzt erzähl mir, was passiert ist!«
»So schlimm ist es gar nicht«, erwiderte Laura stirnrunzelnd. »Woher weißt du überhaupt, dass etwas nicht stimmt?«
»Ich habe es an deinem Gesichtsausdruck erkannt.«
»Oh, Anna«, sagte Laura gereizt, »du hattest schon immer so etwas wie einen sechsten Sinn.«
Anna lächelte Will an, der ihren Koffer genommen hatte. Sie glaubte nicht, dass sie einen sechsten Sinn hatte; vermutlich mangelte es Laura eher ein wenig an weiblicher Intuition.
»Also, was ist es dann?«, fragte Anna, als sie im Wagen saßen. »Wenn es nicht Caroline ist, dann muss es Mum sein.«
»Nein, ihr geht es gut«, antwortete Laura.
»Und es ist wirklich nichts Schreckliches«, fügte Will hinzu und drehte sich zu Anna um, die auf der Rückbank saß. »Wir könnten zu Hause eine Tasse Tee trinken, bevor wir darüber sprechen. Es hat keinen Sinn, aus einer Krise ein Drama zu machen«, murmelte er in Lauras Richtung.
»Also«, sagte Laura mit gespielter Munterkeit. »Wie war die Party? Hast du jemand Nettes wiedergesehen?«
»Nett« war nicht der richtige Ausdruck für Max Gordon, aber Anna bejahte die Frage dennoch. Zara und Amanda waren tatsächlich nett gewesen.
»Welche Art von nett? Freundlich nett oder romantisch nett?«
»Ich meinte nur, dass ich nette alte Freunde wiedergesehen habe«, erwiderte Anna, der nicht im Mindesten danach zumute war, ihrer Schwester von Max zu erzählen. »Wir haben Cocktails getrunken und viel Spaß miteinander gehabt.«
»Und Chloes Kleid ist nicht Schlimmes zugestoßen?«
War dies der Code für: »Hat jemand sich über Chloes Kleid übergeben?« Oder für: »Wurde es von einer leidenschaftlichen alten Flamme in Stücke gerissen?«
»Nein. Was hätte mit dem Kleid auch passieren sollen? Es ist sehr ›pflegeleicht‹. Das hat Chloe mir erzählt.«
»Also, sonst gibt es keinen Klatsch und Tratsch?«
»Wie viel Klatsch und Tratsch willst du? Es war eine College-Jahrgangsfeier, kein
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