Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
in der Stimmung für Komplimente. »Was machen Sie hier?«
Der alte Mann schlurfte zur Holzkiste. »Dachten Sie wirklich, dass Alexander der Große hier ruht?«
Dieser Mann wusste, weswegen sie hier war.
»Und du, Abenteurer, meine unsterbliche Stimme erreiche deine Ohren, auch wenn sie aus weiter Ferne erklingt, höre meine Worte. Segele in die von Alexanders Vater gegründete Haupt stadt, wo weise Männer Wache stehen. Berühre das innerste Sein der goldenen Illusion. Spalte den Phönix. Das Leben gibt Auskunft über das Maß des Grabes. Aber sei behutsam, denn du hast nur einen Versuch. «
Sie bemühte sich, ihren Schock darüber zu verbergen, dass er dieses Zitat kannte.
Dieser Mann wusste wirklich, weswegen sie hier war.
»Haben Sie etwa gedacht, Sie wären die Einzige, die davon weiß?«, fragte er. »Für wie toll halten Sie sich eigentlich?«
Sie schnappte sich Viktors Pistole und richtete sie auf Thorvaldsen. »Für toll genug, um Sie zu erschießen.«
Malone machte sich Sorgen. Er und Cassiopeia befanden sich etwa fünfundzwanzig Meter über dem Boden und neunzig Meter von der Stelle entfernt, an der Thorvaldsen Irina Zovastina vor Viktors Augen herausforderte. Michener hatte sie durch das westliche Atrium in den Dom geleitet und von dort zu einer steilen Treppe geführt. Hier oben griffen die Mauern, Bögen und Kuppeln die Architektur des Erdgeschosses auf, doch anders als unten zeigten die Wände des Museums und Souvenirshops keine prächtigen Marmorverkleidungen und schimmernde Mosaike, sondern waren aus einfachem Ziegelstein.
»Was zum Teufel treibt er hier?«, brummte Malone. »Er hat dich doch gerade eben erst angerufen.«
Sie kauerten hinter einer Steinbalustrade, von der aus man eine gute Sicht auf die hoch aufragenden Kuppeln hatte, die auf massiven Marmorsäulen ruhten. Goldene Deckenmosaike schimmerten im Lampenlicht, während man den Marmorboden und die unbeleuchteten Seitenkapellen nur in Schwarz- und Grautönen sah. Der Chorraum am anderen Ende des Doms, wo Thorvaldsen stand, war wie eine hell erleuchtete Bühne in einem dunklen Theater.
»Warum antwortest du nicht?«
Cassiopeia blieb stumm.
»Ihr beide nervt mich allmählich ganz schön an.«
»Ich hab dir gesagt, du sollst nach Kopenhagen zurückkehren.«
»Henrik könnte die Sache hier total falsch eingeschätzt haben.«
»Sie wird ihn nicht erschießen. Zumindest nicht, bis sie weiß, warum er da ist.«
»Und warum ist er da?«
Wieder nur Schweigen.
Sie mussten sich eine bessere Position suchen. »Wie wär’s, wenn wir uns nach dort drüben schaffen?«
Er zeigte nach links auf eine Galerie im nördlichen Querschiff, die auf den Chor hinausging. »Das Museum erstreckt sich bis dorthin. Wenn wir dorthin schleichen, sind wir näher bei ihnen und können hören, was sie sagen.«
Cassiopeia zeigte nach rechts. »Ich gehe da entlang. Es gibt von hier aus bestimmt einen Zugang zum südlichen Querschiff. Wenn wir uns hier trennen, sichern wir beide Seiten.«
Viktors Herz raste. Erst die Frau und dann der Typ, der angeblich das Museum besaß. Der zweite Mann war bestimmt auch noch am Leben. Und wahrscheinlich ganz in der Nähe. Dann fiel Viktor auf, dass Thorvaldsen ihn gar nicht beachtete.
So als wenn er ihn nie gesehen hätte.
Zovastina starrte durchs Visier der Pistole auf Thorvaldsen.
»Mir ist bewusst, dass Sie eine Heidin sind«, sagte der Däne ruhig. »Aber würden Sie mich hier auf dem Altar einer christlichen Kirche erschießen?«
»Woher kennen Sie Ptolemaios’ Rätsel?«
»Ely Lund hat mir davon erzählt.«
Sie senkte die Waffe und musterte den Eindringling. »Woher kannten Sie ihn?«
»Er und mein Sohn standen sich nahe. Schon von Kindheit an.«
»Und warum sind Sie hier?«
»Warum wollen Sie unbedingt das Grab Alexanders des Großen finden?«
»Aus welchem Grund sollte ich das ausgerechnet mit Ihnen diskutieren?«
»Mal sehen, ob ich Ihnen einen guten Grund liefern kann. Sie verfügen zurzeit über fast dreißig Zoonosen von verschiedenen exotischen Tieren, die Sie zu einem beträchtlichen Teil aus Zoos und anderen Privatsammlungen gestohlen haben. Ihnen stehen mindestens zwei Biowaffenlabore zur Verfügung, das eine wird von Ihrer Regierung betrieben, das andere von Philogen Pharmaceutique, einer von einem gewissen Enrico Vincenti kontrollierten Gesellschaft. Vincenti und Sie sind außerdem Mitglieder der Venezianischen Liga. Sind das Gründe genug?«
»Sie atmen noch, oder?«
Thorvaldsen
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