Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
und waren auf einer Küstenstraße Richtung Norden gefahren. Zehn Minuten südlich von Thorvaldsens palastartigem Landsitz waren sie von der Schnellstraße abgebogen und hatten vor einem bescheidenen eingeschossigen Wohnhaus angehalten, das in einem Wäldchen mit knorrigen Bäumen stand. Um das Haus wuchsen Osterglocken und Hyazinthen, und auf den Wänden aus Holz und Backstein saß ein schiefes Dach. Fünfzig Meter hinter dem Haus schlug das graubraune Wasser des 0resund gegen die felsige Küste.
»Ich brauche wohl nicht zu fragen, wem dieses Anwesen hier gehört.«
»Es ist ziemlich heruntergekommen«, sagte Thorvaldsen. »Aber das Grundstück stößt an mein eigenes Land. Ich habe es für ein Butterbrot bekommen, und die Lage am Meer ist wundervoll.«
Malone stimmte ihm zu. Die Lage war erstklassig. »Und wer soll hier angeblich wohnen?«
Cassiopeia lächelte. »Der Besitzer des Museums. Wer sonst?«
Sie wirkte gelöster, doch seine beiden Freunde waren spürbar nervös. Bevor sie die Stadt verlassen hatten, hatte Malone die Kleider gewechselt und seine Beretta, die noch aus seiner Zeit beim Magellan Billet stammte, unter dem Bett hervorgeholt. Zwei Mal war er von der Polizei aufgefordert worden, die Waffe abzugeben, aber Thorvaldsen hatte seine Beziehungen zum dänischen Premierminister spielen lassen, und dann war die Sache vom Tisch gewesen. Im letzten Jahr hatte diese Pistole Malone trotz seiner Pensionierung oft gute Dienste geleistet. Doch das gefiel ihm nicht, denn einer der Gründe, aus denen er seinen Dienst bei der Regierung quittiert hatte, war, dass er keine Waffe mehr tragen wollte.
Sie traten ins Haus. Das Sonnenlicht schien durch die mit einem Salzfilm überzogenen Fenster. Die Räume waren mit einer Mischung alter und neuer Möbel verschiedener Stilrichtungen ausgestattet, die originell und gemütlich wirkte. Doch es war unübersehbar, dass alles ziemlich renovierungsbedürftig war.
Cassiopeia durchsuchte das Haus.
Thorvaldsen setzte sich auf eine staubige, mit Tweed bezogene Couch. »Alles in dem Museum, das gestern Nacht abbrannte, war eine Kopie. Ich habe die Originale nach dem Erwerb des Hauses in Sicherheit gebracht. Es war zwar nichts besonders Wertvolles darunter, aber ich konnte trotzdem nicht zulassen, dass es zerstört wird.«
»Da hast du dir ja viel Mühe gemacht«, sagte Malone.
Cassiopeia kam von ihrem Erkundungsgang zurück. »Es steht viel auf dem Spiel.«
Als wenn ihm das nicht schon längst klar gewesen wäre. »Während wir darauf warten, dass die Person, mit der du vor drei Stunden telefoniert hast, kommt, um uns zu ermorden, könntet ihr mir wenigstens erklären, warum wir ihm und seinen eventuellen Helfern so viel Zeit gelassen haben, um das Ganze vorzubereiten?«
»Ich weiß, was ich tue«, erwiderte Thorvaldsen.
»Warum sind diese Medaillons so wichtig?«
»Weißt du etwas über Hephaistion?«, fragte Thorvaldsen.
Malone wusste einiges. »Er war Alexanders engster Gefährte und wahrscheinlich sein Liebhaber. Er ist ein paar Monate vor Alexander gestorben.«
»Das Manuskript, das in Samarkand gefunden und mit Röntgenstrahlen wieder lesbar gemacht wurde, hat die historisch bekannten Fakten deutlich erweitert. Wir wissen, dass Hephaistions Tod Alexander mit solchen Schuldgefühlen erfüllte, dass er die Hinrichtung seines Leibarztes, eines Mannes namens Glaukias, anordnete. Er ließ ihn von zwei zu Boden gezogenen Bäumen in Stücke reißen.«
»Und womit hatte der Arzt das verdient?«
»Es war ihm nicht gelungen, Hephaistion zu retten«, sagte Thorvaldsen. »Anscheinend besaß Alexander ein Heilmittel. Einen Trank, der mindestens schon einmal zuvor das Fieber gestillt hatte, an dem Hephaistion gestorben war. Dieses Mittel wird in dem Manuskript einfach als Heiltrank bezeichnet. Aber es gibt noch ein paar andere interessante Fakten.«
Cassiopeia zog eine gefaltete Seite aus ihrer Tasche.
»Lies selbst.«
Was für eine Schande, dass der König den armen Glaukias hingerichtet hat. Den Arzt traf keine Schuld. Er hatte Hephaistion verboten, zu essen oder zu trinken, doch der gehorchte nicht. Hätte er nichts zu sich genommen, wäre vielleicht genug Zeit gewonnen worden, um ihn zu retten. Gewiss, Glaukias hatte den Heiltrank nicht zur Hand, da der Behälter einige Tage zuvor versehentlich zerbrochen worden war, doch er erwartete bald eine neue Sendung aus dem Osten. Jahre zuvor hatte Alexander bei der Verfolgung der Skythen an Magenbeschwerden gelitten. Für
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