Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
und Artischockenfelder lagen verlassen da, und die düstere Szenerie erinnerte an eine Geisterstadt im amerikanischen Westen.
Unter ihm stand die Basilika, die keine warme Ausstrahlung hatte und seltsam unfertig wirkte, als wäre sie unvollendet geblieben. Malone hatte im Reiseführer gelesen, dass sie von Menschen, die für das Jahr 1000 den Weltuntergang erwarteten, in aller Eile hochgezogen worden war.
»Was für ein großartiges Sinnbild«, sagte Malone zu Cassiopeia. »Eine byzantinische Kathedrale direkt neben einer griechischen Kirche. Ost und West, Seite an Seite. Genau wie Venedig selbst.«
Vor den beiden Kirchen erstreckte sich eine von Gras überwucherte Piazzetta. Früher hatte diese das Zentrum des städtischen Lebens gebildet, doch heute war sie nur noch eine Dorfwiese. Von dieser Wiese gingen staubige Wege ab. Zwei führten zu einem weiteren Kanal, andere schlängelten sich zu den Bauernhöfen in der Ferne hin. An der Piazzetta lagen noch zwei weitere zweigeschossige Steingebäude mit einem Ausmaß von etwa zwölf auf sechs Meter und Giebeldächern. Sie beherbergten das Museo di Torcello. Im Reiseführer stand, dass sie vor Jahrhunderten die Palazzi reicher Kaufleute gewesen waren, heute aber dem Staat gehörten.
Cassiopeia zeigte auf das linke Gebäude. »Das Medaillon befindet sich dort drinnen, im ersten Stock. Das Museum hat nicht besonders viel zu bieten. Mosaikfragmente, Kapitelle und ein paar Gemälde, Bücher und Münzen. Griechische, römische und ägyptische Artefakte.«
Malone sah sie an, doch Cassiopeia starrte weiter auf die Insel hinaus. Im Süden ragten die Umrisse des Zentrums auf, dessen Glockentürme in den sich verdunkelnden Himmel ragten, an dem sich langsam ein Unwetter zusammenbraute. »Was machen wir eigentlich hier?«
Cassiopeia antwortete nicht sofort. Er streckte die Hand aus und berührte sie am Arm. Sie erschauerte bei der Berührung, wehrte sich aber nicht. Ihre Augen waren feucht, und er fragte sich, ob die traurige Atmosphäre dieser Insel Erinnerungen in ihr geweckt hatte, die besser vergessen geblieben wären.
»Von diesem Ort hier ist nichts mehr übrig«, murmelte sie.
Sie befanden sich allein in der Turmspitze, und die Stille wurde nur von den Schritten, Stimmen und dem Gelächter der Leute gestört, die von weiter unten den Turm heraufkamen.
»Von Ely auch nicht«, sagte Malone.
»Er fehlt mir.« Sie biss sich auf die Lippe.
Er fragte sich, ob diese plötzliche Aufrichtigkeit ein Zeichen ihres wachsenden Vertrauens war. »Ja. Aber es gibt nichts, was du tun könntest.«
»Das würde ich nicht sagen.«
Das gefiel ihm ganz und gar nicht. »Was hast du vor?«
Sie schwieg. Er drängte sie nicht und sah mit ihr über die Dächer der Kirche hinweg. An der kurzen Gasse, die vom Dorf zu der grasüberwucherten Piazzetta führte, standen ein paar Buden, in denen Spitzen, Glaswaren und Andenken verkauft wurden. Eine Schar von Besuchern kam auf die Kirchen zu. Unter ihnen entdeckte Malone ein vertrautes Gesicht.
Viktor.
»Ich sehe ihn auch«, sagte Cassiopeia.
Leute betraten den Glockenturm.
»Der Mann neben ihm ist der Typ, der die Autoreifen aufgeschlitzt hat«, sagte sie.
Sie sahen zu, wie die beiden Männer auf das Museum zugingen.
»Wir müssen hier runter«, sagte Malone. »Vielleicht wollen sie sich ebenfalls die Insel von oben ansehen. Vergiss nicht, dass die beiden uns für tot halten.«
»So tot wie dieser ganze Ort hier«, murmelte Cassiopeia.
35
Venedig
15.20 Uhr
Stephanie stieg aus ihrem Wassertaxi und arbeitete sich durch die schmalen Straßen und Gassen. Sie hatte sich in ihrem Hotel nach dem Weg erkundigt und folgte den Anweisungen, so gut sie konnte, doch Venedig war wie ein riesiges Labyrinth. Sie befand sich tief im Dorsoduro, einem ruhigen, malerischen Stadtviertel, das zwischen schmalen, geschäftigen Hauptstraßen lag und seit jeher als Wohngegend für Wohlhabende galt.
Da entdeckte sie die Villa vor sich. Sie war streng symmetrisch gebaut und strahlte eine jahrhundertealte Vornehmheit aus. Ihre Schönheit verdankte sie dem reizvollen Kontrast zwischen den roten Backsteinwänden, deren grünem Rankenbewuchs und den Zierleisten aus Marmor, die aus den Pflanzen hervorleuchteten.
Stephanie trat durch ein schmiedeeisernes Tor und klopfte an die Tür. Eine ältere Frau in einer Bedienstetenuniform öffnete ihr mit herablassender Miene.
»Ich möchte gerne Signore Vincenti sprechen«, sagte Stephanie. »Sagen Sie ihm, dass ich ihm
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