Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
Unsere Wissenschaftler wissen, dass hier einmal hundertachtundsiebzig Arten gelebt haben. Jetzt sind es nur noch achtunddreißig. Das ist der Fortschritt der Sowjets.« Sie schüttelte den Kopf. »Das sind die Tugenden des Kommunismus.« Dann lächelte sie höhnisch. »Verbrecher. Genau das waren sie. Ganz einfach Verbrecher.«
Das Kanalprojekt war sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht ein Fehlschlag gewesen. Immer wieder war es zu Lecks und Überflutungen gekommen. Wie die Sowjets selbst, die sich wenig um Effizienz scherten, verlor der Kanal mehr Wasser, als er lieferte. Als der Aralsee mehr und mehr austrocknete, wurde die Insel Vozrozhdeniya allmählich zur Halbinsel, und die Angst wuchs, dass Säugetiere und Reptilien die gefährlichen biologischen Gifte auf das den See umgebende Land übertragen würden. Doch das war vorbei. Das Land war sauber. Das hatte ein Inspektionsteam der Vereinten Nationen erklärt und Zovastinas Leistung als »meisterhaft« bezeichnet.
Sie hob die geballte Faust. »Wir haben diesen sowjetischen Verbrechern gesagt, dass wir jeden von ihnen zu einer Gefängnisstrafe bei uns verurteilen würden, wenn wir nur könnten.«
Wieder brüllte die Menge vor Begeisterung.
»Die Stadt Kantubek, auf deren Marktplatz wir hier gerade stehen, hat sich aus der Asche erhoben. Die Sowjets hatten sie in Trümmer gelegt, aber nun werden hier auf dieser Insel, die ebenfalls wiedererstanden ist, freie Bürger der Föderation in Frieden und Harmonie leben. Auch der Aralsee wächst wieder, der Wasserstand steigt jedes Jahr, und die menschengeschaffene Wüste wird wieder zum Grund des Sees. Dies ist ein Beispiel dafür, was wir erreichen können. Für unser Land. Unser Wasser.« Sie zögerte. »Und unser Vermächtnis.«
Die Menge brach in lautes Jubeln aus.
Ihr Blick wanderte über die Gesichter, und sie genoss die Vorfreude, die ihre Botschaft hervorzurufen schien. Sie mischte sich gern unters Volk. Und die Leute liebten sie. Macht zu erlangen war das eine. Aber an der Macht zu bleiben, das war noch einmal eine Kunst für sich.
Doch sie hatte vor, an der Macht zu bleiben.
»Liebe Bürgerinnen und Bürger, machen Sie sich klar, dass wir alles erreichen können, wenn wir es uns fest vornehmen. Wie viele Menschen auf der Welt haben behauptet, unser Staat könne sich nicht konsolidieren? Wie viele haben prophezeit, ein Bürgerkrieg würde uns spalten? Wie viele haben gesagt, wir seien unfähig, uns selbst zu regieren? Wir haben nun schon zweimal Wahlen abgehalten. Freie Wahlen mit zahlreichen Kandidaten. Niemand kann behaupten, diese Wahlen seien nicht fair verlaufen.« Sie hielt inne. »Wir haben eine Verfassung, die die Menschenrechte und persönliche, politische und intellektuelle Freiheit garantiert.«
Sie genoss diesen Moment. Die Wiedereröffnung der Insel Vozrozhdeniya war definitiv ein Ereignis, das ihre Anwesenheit verlangte. Ihre Botschaft wurde in der ganzen Nation durch Fernsehsender der Föderation und drei neue, unabhängige Sender übertragen, deren Lizenz sie an Mitglieder der Venezianischen Liga vergeben hatte. Die Besitzer dieser neuen Sender hatten Zovastina unter vier Augen die Kontrolle über ihre Produktionen zugesichert, was zu den Privilegien gehörte, die Mitglieder der Liga einander gewährten. Zovastina war froh über diese neuen Sender. Niemand konnte behaupten, dass sie die Medien kontrollierte, wenn dies allem Anschein nach nicht der Fall war.
Sie sah auf die wiedererbaute Stadt hinaus, deren steinerne Gebäude im Stil des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts errichtet worden waren. Kantubek würde wieder bewohnt werden. Ihr Innenministerium hatte berichtet, dass zehntausend Menschen sich um eine kostenlose Landzuteilung auf der Insel beworben hatten, was wiederum ein Beweis für das Vertrauen war, das die Leute ihr schenkten, die sonst bestimmt nicht bereit gewesen wären, an einem Ort zu leben, an dem zwanzig Jahre zuvor nichts überlebt hätte.
»Stabilität ist die Grundlage von allem«, brüllte sie.
Das war ihr Slogan, den sie im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre immer wieder verwendet hatte.
»Heute taufen wir diese Insel im Namen des Volkes der Zentralasiatischen Föderation. Möge unser Bund für immer halten.«
Unter dem Jubel der Menge trat sie vom Rednerpult weg.
Drei ihrer Wächter nahmen sie rasch zwischen sich und eskortierten sie von der Rednertribüne. Ihr Helikopter stand schon bereit und danach ein Flugzeug, das sie nach Venedig
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