Cotton Malone 04 - Antarctica
eiskalt von der feuchten Luft.
Sie erblickte den Pfad und rannte los.
Zwischen den Kiefernnadeln hindurch sah Smith in einem halben Kilometer Entfernung etwas Orangefarbenes aufblitzen. Er saß, sich am Stamm der Kiefer abstützend, auf einem Ast. Unter einem zunehmend azurblauen Dezemberhimmel fegte ein eiskalter Wind hindurch.
Durch sein Fernglas beobachtete er, wie Scofield und seine Gruppe nordwärts stapften. Er war ein Risiko eingegangen, denn er hatte nicht gewusst, wie ihre Route letztlich verlaufen würde, und gehofft, dass sie auf dem Pfad bleiben würden. Jetzt, da Scofield auftauchte, hatte sich diese Vermutung bestätigt.
Er hängte das Fernglas am Riemen über einen vorstehenden Ast, legte das Gewehr an und blickte durch das Zielfernrohr. Er hätte es vorgezogen, mit einem Schalldämpfer zu arbeiten, um unbemerkter zu bleiben, doch er hatte keinen eigenen mitgebracht, und der Kauf war illegal. Er hielt den hölzernen Gewehrschaft in Händen und wartete geduldig darauf, dass sein Opfer sich näherte.
Es ging nur noch um einige wenige Minuten.
Stephanie rannte voraus, und die Angst durchfuhr sie in harten Schüben. Sie hielt die Augen nach vorn gerichtet und durchsuchte den Wald nach etwas, das sich bewegte. Ihr Atem stach in der Lunge.
Würden nicht alle Jäger leuchtend bunte Westen tragen?
Befand sich der Killer hier draußen?
Smith bemerkte eine Bewegung hinter der Gruppe der Jäger. Er griff nach dem Fernglas und hatte die beiden vom Vorabend im Visier. Sie rannten etwa fünfzig Meter hinter den anderen über den gewundenen Pfad.
Offensichtlich hatte seine List nur teilweise funktioniert.
Er konnte sich vorstellen, was nach Scofields Tod geschehen würde. Man würde zunächst von einem Jagdunfall ausgehen, auch wenn die beiden Unerschrockenen, die der Gruppe immer näher kamen, sofort von Mord sprechen würden. Es würde eine Untersuchung des örtlichen Sheriffs und der Behörde für Naturparks geben. Die Beamten würden messen, fotografieren und Einschusswinkel und Flugbahn des Geschosses bestimmen. Wenn man erst einmal merkte, dass die Kugel von oben gekommen war, würde man die Bäume untersuchen. Aber zum Teufel, ringsum gab es Zehntausende von Bäumen.
Bei welchen würden sie suchen?
Scofield befand sich fünfhundert Meter entfernt, und seine beiden Retter näherten sich. Gleich würden sie die Biegung des Pfades umrunden und den Gesuchten erblicken.
Smith schaute wieder durchs Zielfernrohr.
Unfälle gab es ständig. Jäger verwechselten einander mit Beute.
Jetzt war Scofield noch vierhundert Meter entfernt.
Selbst wenn sie leuchtend orangerote Westen tragen.
Das Zielobjekt befand sich im Fadenkreuz seines Gewehrs.
Er musste Scofield in die Brust treffen. Aber wenn er auf den Kopf zielte, wäre ein zweiter Schuss überflüssig.
Noch dreihundert Meter.
Dass Smith’ beide Verfolger hier waren, stellte ein Problem dar, aber Ramsey erwartete, dass Dr. Douglas Scofield heute starb.
Er betätigte den Abzug.
Der Gewehrschuss hallte über das Tal, und Scofields Kopf zerbarst.
Smith hatte das Risiko eben eingehen müssen.
TEIL FÜNF
74
Ossau, Frankreich
13.20 Uhr
Malone hatte genug von Christls Übersetzung gelesen, um sich klar zu sein, dass er in die Antarktis reisen musste. Wenn er dazu vier Passagiere mitnehmen musste, sei’s drum. Einhard hatte offensichtlich etwas Außergewöhnliches erfahren, etwas, das auch Hermann Oberhauser in seinen Bann gezogen hatte. Unglückseligerweise hatte der alte Deutsche das ihm bevorstehende Verhängnis gespürt und das Buch dorthin zurückgebracht, wo es zwölfhundert Jahre lang sicher geruht hatte, in der Hoffnung, dass sein Sohn es zum zweiten Mal finden würde. Doch Dietz hatte versagt und die Mannschaft der NR-1A mit sich ins Verderben gerissen. Sollte es überhaupt eine Chance geben, das gesunkene U-Boot zu finden, so musste Malone sie ergreifen.
Sie hatten mit Isabel gesprochen und ihr erzählt, was sie gefunden hatten.
Christl vollendete die Übersetzung und ging noch einmal über den Text, um sicherzustellen, dass die Informationen korrekt waren.
Also trat er aus dem Gasthaus in einen kalten Nachmittag hinaus und spazierte zu Ossaus zentralem Marktplatz. Jeder Schritt knirschte wie Styropor auf dem frischen Schnee. Er hatte sein Handy mitgenommen und wählte im Gehen Stephanies Nummer. Sie nahm beim vierten Läuten ab und sagte: »Ich habe darauf gewartet, von dir zu hören.«
»Das klingt nicht gut.«
»Wenn
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