Cotton Malone 04 - Antarctica
Zähnen.
Er gestattete sich ein Grinsen und dann ein Kichern. »Sie sind ein Teufel.«
Sie gab das Kompliment zurück. »Anscheinend passen wir perfekt zusammen.«
Ihm gefiel der freundschaftliche Tonfall. Nie hätte er erwartet, dass sie ein so durchtriebenes Luder war. Aatos Kane wäre nichts lieber, als sich von seiner Verpflichtung zu befreien, und selbst die Andeutung eines Skandals würde dem Senator die gewünschte Gelegenheit bieten. Ich bin bereit, meinen Teil der Abmachung zu halten, würde Kane sagen. Die Probleme kommen von Ihrer Seite.
Und er könnte nichts dagegen unternehmen.
Die Reporter würden keine Stunde brauchen, um festzustellen, dass seine Dienstzeit in Brüssel tatsächlich mit der von Millicent zusammenfiel. Edwin Davis war ebenfalls da gewesen, und dieser romantische Dummkopf hatte etwas für Millicent übrig gehabt. Ramsey hatte das damals gewusst, hatte sich aber nicht darum geschert. Davis war schwach und bedeutungslos gewesen. Das war heute anders. Gott weiß, wo Davis im Moment steckte. Seit mehreren Tagen hatte Ramsey schon nichts mehr über ihn gehört. Ganz anders sah es dagegen mit der Frau aus, die ihm gegenübersaß. Sie zielte praktisch mit einer geladenen Waffe auf ihn und wusste, wohin sie schießen musste.
»Okay. Ich zahle.«
Sie griff in ihre Jackentasche und holte ein Blatt Papier heraus.
»Hier sind die Bankdaten. Führen Sie die komplette Zahlung innerhalb der nächsten Stunde durch.«
Sie warf den Zettel auf seinen Schreibtisch.
Er rührte sich nicht.
Sie lächelte. »Schauen Sie nicht so finster.«
Er erwiderte nichts.
»Ich sage Ihnen was«, meinte sie. »Um Ihnen meinen guten Willen zu zeigen und meine Bereitschaft zu demonstrieren, dauerhaft mit Ihnen zusammenzuarbeiten, sobald die Zahlung bestätigt ist, werde ich Ihnen noch etwas anderes geben, was Sie wirklich wollen.«
Sie stand auf.
»Und was ist das?«, fragte er.
»Mich. Morgen Abend gehöre ich Ihnen. Vorausgesetzt, ich werde innerhalb der nächsten Stunde bezahlt.«
79
Samstag, 15. Dezember
00.50 Uhr
Dorothea war nicht glücklich. Das Flugzeug ho lperte durch die Luftturbulenzen wie ein Pick-up auf einem ungeteerten Weg voller Schlaglöcher, und das brachte ihr Erinnerungen an ihre Kindheit und Fahrten mit ihrem Vater zum Jagdhaus zurück. Sie waren gern draußen unterwegs gewesen. Während Christl Gewehre und die Jagd mied, hatte sie selbst beides geliebt. Das war etwas gewesen, was sie mit ihrem Vater geteilt hatte. Unglücklicherweise hatten sie nur einige wenige Male eine Jagdsaison gemeinsam erlebt. Sie war zehn gewesen, als er starb. Oder besser gesagt, als er nie mehr nach Hause zurückgekehrt war. Dieser traurige Gedanke machte die Leere in ihrem Inneren noch größer und vertiefte die Lücke, die für immer zu klaffen schien.
Es war nach dem Verschwinden ihres Vaters gewesen, dass sie und Christl sich immer weiter auseinandergelebt hatten. Sie hatten unterschiedliche Freunde und Interessen und einen unterschiedlichen Geschmack. Ein unterschiedliches Leben. Wie konnten zwei Menschen, die sich aus demselben Ei entwickelt hatten, einander so fremd werden?
Nur eine einzige Erklärung ergab Sinn.
Ihre Mutter.
Seit Jahrzehnten zwang sie sie, miteinander zu konkurrieren. Von diesen Auseinandersetzungen war Groll zurückgeblieben. Abneigung kam als Nächstes. Und von da bis zum Hass war es nur ein kurzer Weg.
Sie saß in ihr Outfit eingepackt angeschnallt im Sitz. Malone hatte mit der Kleidung recht behalten. Das gegenwärtige Elend würde frühestens in fünf Stunden enden. Die Crew hatte beim Einsteigen Vesperpakete ausgeteilt. Käsebrötchen, Kekse, einen Schokoriegel und einen Apfel. Aber sie konnte keinen Bissen runterbekommen. Schon beim Gedanken an Essen wurde ihr schlecht. Sie drückte sich mit dem Parka fest gegen die Stofflehne und versuchte, es sich bequem zu machen. Vor einer Stunde war Malone ins Cockpit verschwunden. Henn und Werner schliefen, aber Christl wirkte hellwach.
Vielleicht war auch sie nervös.
Dieser Flug war der schlimmste ihres Lebens, und nicht nur, weil er so unbequem war. Sie flogen ihrem Schicksal entgegen. War dort etwas zu finden? Und falls ja, würde es gut oder schlecht sein?
Nach dem Umziehen hatten sie ihre kälteisolierten Rucksäcke gepackt. Sie hatte nur eine Garnitur Kleidung zum Wechseln, eine Zahnbürste, ein paar Toilettenartikel und eine Pistole mitgenommen. Die Pistole hatte ihre Mutter ihr in Ossau zugeschmuggelt. Da dies kein
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