Cotton Malone 04 - Antarctica
warum.
Jetzt wusste sie Bescheid.
Sie schüttelte alle beunruhigenden Gedanken ab und konzentrierte sich auf die düstere Szene, die vor ihr lag. Sie hatte nachts gejagt, im Schein eines silbrigen Mondes Beutetiere durch die bayrischen Wälder verfolgt und auf den richtigen Moment gewartet, um sie zu töten. Ihre Schwester war mindestens eine Doppelmörderin. Alles, was sie ihr je zugetraut hatte, hatte sich jetzt bestätigt. Keiner würde ihr einen Vorwurf machen, wenn sie die Schlampe erschoss.
Drei Meter vor ihr endete der Gang.
Es gab zwei Türöffnungen – die eine führte nach links, die andere nach rechts.
Sie kämpfte gegen einen Anflug von Panik an.
Welche sollte sie nehmen?
90
Malone schlug die Augen auf und wusste, was passiert war. Er rieb sich eine pochende Beule seitlich am Kopf. Verdammt. Dorothea hatte keine Ahnung, was sie da tat.
Er stemmte sich hoch und wurde von Schwindel erfasst.
Mist – vielleicht hatte sie ihm den Schädel gebrochen.
Er zögerte und ließ zu, dass sein Kopf von der eiskalten Luft klarer wurde.
Denk nach. Konzentrier dich. Er hatte die ganze Sache angeleiert. Aber es lief nicht wie erwartet, und so verbot er sich unnötige Grübeleien und holte Dorotheas Pistole aus seiner Tasche.
Er hatte Christls Waffe konfisziert, deren Bauart und Modell mit der Pistole in seiner Hand identisch war. Als er Christl die Waffe zurückgegeben hatte, hatte er jedoch die Situation ausgenutzt und sie mit dem leeren Magazin geladen, das ursprünglich aus Dorotheas Pistole stammte. Jetzt schob er das geladene Magazin in die Heckler & Koch USP, die ihm geblieben war, und zwang sich trotz des Nebels in seinem Kopf zur Konzentration, während er hantierte.
Dann ging er taumelnd zur Tür.
Stephanie improvisierte und nutzte alles, was ihr einfiel, um Charlie Smith aus dem Gleichgewicht zu bringen. Diane McCoy hatte ihre Rolle vollendet gespielt. Daniels hatte Stephanie und Davis informiert, dass er McCoy erst als Mitverschwörerin und dann als Gegnerin zu Ramsey geschickt hatte, alles, damit Ramsey nicht zur Ruhe kam. »Eine Biene kann nicht stechen, solange sie fliegt« , hatte der Präsident angemerkt. Daniels hatte auch erklärt, dass McCoy sich sofort freiwillig gemeldet hatte, als sie von Millicent Senn und den Ereignissen vor vielen Jahren in Brüssel erfahren hatte. Damit die Täuschung irgendeine Aussicht auf Erfolg hatte, war jemand nötig, der auf ihrer Hierarchiestufe stand, da Ramsey sich mit niedrigeren Chargen weder abgegeben noch ihnen geglaubt hätte. Nachdem der Präsident von Charlie Smith erfahren hatte, hatte McCoy auch diesen Mann mühelos manipuliert. Smith war ein eitler, gieriger Geck und allzu erfolgsverwöhnt. Daniels hatte Stephanie und Davis informiert, dass Ramsey tot war – von Smith erschossen – und dass Smith auftauchen würde, aber mehr hatte er leider nicht gesagt. Dass McCoy sich ihnen entgegenstellte, hatte ebenfalls noch zum Skript gehört. Was danach geschehen würde, war völlig offen gewesen.
»Wieder zurück nach vorn«, befahl Smith und zeigte mit der Waffe in die angegebene Richtung.
Sie kehrten zur Eingangshalle zwischen den beiden vorderen Salons zurück.
»Sie haben da ein ziemliches Problem«, sagte Stephanie.
»Ich würde sagen, das Problem haben Sie.«
»Wirklich? Sie wollen zwei Stellvertretende Sicherheitsberater und eine hochrangige Agentin des Justizministeriums ermorden? Ich glaube kaum, dass Sie so viel Aufmerksamkeit erregen wollen. Dass Sie Ramsey erschossen haben? Wen schert das schon? Uns gewiss nicht. Gut, dass wir ihn los sind. Keiner wird Ihnen da irgendwelche Probleme bereiten. Aber mit uns sieht die Sache anders aus.«
Sie sah, dass ihre Überlegungen ihm einleuchteten.
»Sie waren immer so vorsichtig«, sagte Stephanie. »Das ist Ihr Markenzeichen. Keine Spuren hinterlassen. Keine Beweise. Uns zu erschießen wäre völlig untypisch für Sie. Und außerdem wollen wir Ihnen ja vielleicht einen Job anbieten. Schließlich leisten Sie gute Arbeit.«
Smith kicherte. »Aber ja doch. Ich bezweifle, dass Sie meine Dienste nutzen würden. Stellen wir eines klar. Ich bin hierhergekommen, um ihr« – er zeigte auf McCoy – »bei einem Problem zu helfen. Sie hat mir zehn Millionen gezahlt und mich Ramsey töten lassen, da bin ich ihr einen Gefallen schuldig. Sie wollte, dass Sie beide verschwinden. Aber ich sehe ein, dass das eine schlechte Idee war. Ich denke, das Klügste ist, wenn ich jetzt gehe.«
»Erzählen Sie mir
Weitere Kostenlose Bücher