Cotton Malone 04 - Antarctica
von Millicent«, sagte Davis.
Stephanie hatte sich schon gefragt, warum er so still war.
»Warum ist sie so wichtig?«, fragte Smith.
»Das ist sie eben einfach. Ich möchte über sie Bescheid wissen, bevor Sie gehen.«
Dorothea schlich sich zu den beiden Türöffnungen. Sie drückte sich gegen die rechte Wand des Korridors und achtete darauf, ob sich in den Schatten vor ihr irgendetwas bewegte.
Dort war nichts.
Sie kam zum Rand der Türöffnung und warf hastig einen Blick in den Raum zu ihrer Rechten. Dieser maß vielleicht zehn auf zehn Meter und war von oben erhellt. Er war leer bis auf eine Gestalt, die gegen die gegenüberliegende Wand gelehnt saß.
Es war ein in eine Decke gehüllter Mann in einem orangeroten Overall aus Nylon. So matt beleuchtet wie in einem alten Schwarz-Weiß-Foto saß er im Schneidersitz da, den Kopf nach links geneigt, und starrte sie mit Augen an, die nicht blinzelten.
Sie fühlte sich berührt.
Er war jung, vielleicht Ende zwanzig, hatte staubbraunes Haar und ein schmales, eckiges Gesicht. Er war dort gestorben, wo er saß, perfekt erhalten. Beinahe erwartete sie, dass er etwas sagen würde. Er trug keinen Mantel, doch dieselbe Kappe, die sie schon draußen gesehen hatte. Marine der Vereinigten Staaten. NR-1A.
In der Zeit, als sie miteinander gejagt hatten, hatte ihr Vater sie immer vor Erfrierungsschäden gewarnt. Der Körper, hatte er gesagt, opfere Finger, Zehen, Hände, Nasen, Ohren, das Kinn und die Wangen, damit das Blut weiter durch die lebenswichtigen Organe fließe. Wenn aber die Kälte anhielt und Rettung ausblieb, setzten schließlich Lungenblutungen ein und das Herz blieb stehen. Der Tod kam langsam, allmählich und schmerzlos. Die eigentliche Qual war der lange, bewusste Kampf gegen das Sterben. Insbesondere, wenn man hilflos war.
Wer war dieser Mensch?
Sie hörte ein Geräusch hinter sich.
Sie fuhr herum.
In dem Raum auf der anderen Seite des Ganges tauchte jemand auf. Zwanzig Meter entfernt. Eine schwarze Gestalt im Rahmen der zweiten Türöffnung.
»Worauf wartest du, Schwester?«, rief Christl. »Komm doch und hol mich.«
Malone begab sich erneut in die Korridore hinter dem Badesaal und hörte, wie Christl Dorothea anrief. Er wandte sich nach links, in die Richtung, aus der die Stimme wohl erklungen war, und folgte einem weiteren langen Korridor, der schließlich ein Dutzend Meter weiter vorn in einen Raum mündete. Beim Gehen achtete er auf offene Eingänge zu seiner Linken und Rechten. Im Vorbeigehen warf er immer einen kurzen Blick in jede Kammer. Es handelte sich um weitere Lager- und Werkstatträume. In keinem der düsteren Räume war irgendetwas Interessantes zu sehen.
Bei der vorletzten Kammer blieb er stehen.
Jemand lag dort auf dem Boden.
Ein Mann.
Malone betrat den Raum.
Es war ein Weißer mittleren Alters mit kurzem, rostbraunem Haar. Er lag lang ausgestreckt da, die Arme an den Seiten, die Füße gerade, wie ein Felsblock von menschlicher Gestalt. Unter ihm war eine Decke ausgebreitet. Er trug einen orangeroten Overall der Navy. Auf die linke Brusttasche war der Name Johnson gestickt. Malone stellte die Verbindung her. Elektronik-Maat Jeff Johnson, Bordelektronik. NR-1A.
Sein Herz machte einen Satz.
Der Seemann schien sich einfach hingelegt und der Kälte ergeben zu haben. Malone hatte in der Navy gelernt, wie es zum Erfrierungstod kam. Wenn die Haut von kalter Luft umgeben war, zogen sich die oberflächennahen Gefäße zusammen, minimierten den Wärmeverlust und drängten das Blut in die lebenswichtigen Organe. Der Spruch Kalte Hände, warmes Herz war mehr als ein Klischee. Er rief sich die Warnzeichen in Erinnerung. Zuerst ein Kribbeln, ein Stechen, ein dumpfer Schmerz, dann Taubheit und schließlich ein plötzliches Erblassen der Haut. Wenn die Temperatur im Inneren des Körpers weiter fiel und lebenswichtige Organe versagten, kam der Tod.
Man erfror.
Hier, in einer Welt ohne Feuchtigkeit, hätte die Leiche eigentlich perfekt erhalten sein sollen, aber dieses Glück war Johnson verwehrt geblieben. Schwarze Fetzen toter Haut hingen ihm von Wangen und Kinn. Ein fleckiger, gelblicher Schorf bedeckte sein Gesicht und war zum Teil zu einer grotesken Maske erstarrt. Seine Augenlider waren zugefroren, Eis hing an seinen Wimpern, und seine letzten Atemzüge waren zu zwei Eiszapfen gefroren, die ihm von der Nase zum Mund hingen wie die Stoßzähne eines Walrosses.
Wut auf die US-Navy kochte in Malone hoch. Diese verdammten Schweine
Weitere Kostenlose Bücher