Cotton Malone 04 - Antarctica
Lindauer an und wartete auf ihre Erklärung.
»Mein Vater, Dietz Oberhauser, befand sich an Bord der Blazek, als diese verschwand.«
Er bemerkte, dass sie wiederholt den falschen Namen des U-Bootes verwendet hatte. Entweder sie wusste nur wenig oder sie versuchte, ihn zu manipulieren. Das eine, was sie gesagt hatte, passte allerdings. Der Bericht der Untersuchungskommission hatte einen Außenspezialisten namens Dietz Oberhauser erwähnt.
»Was hat Ihr Vater dort gemacht?«, fragte er.
Ihr faszinierendes Gesicht wurde weicher, doch ihr Basiliskenblick lenkte noch immer seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie erinnerte ihn an Cassiopeia Vitt, eine andere Frau, die mehr als einmal sein Interesse geweckt hatte.
»Mein Vater war dort, um den Beginn der menschlichen Zivilisation zu erforschen.«
»Mehr nicht? Ich dachte, es wäre etwas Wichtiges gewesen.«
»Mir ist bewusst, Herr Malone, dass Humor entwaffnend wirken kann. Aber wenn es um meinen Vater geht, und das wird bei Ihnen nicht anders sein, ist mir nicht nach Scherzen zumute.«
Das beeindruckte ihn nicht. »Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet. Was hat er dort gemacht?«
Die Röte der Verärgerung stieg ihr ins Gesicht, zog sich aber schnell wieder zurück. »Ich meine das vollkommen ernst. Er war an Bord, um den Beginn der menschlichen Zivilisation aufzuspüren. Dies war ein Rätsel, an dem er zeit seines Lebens gearbeitet hat.«
»Ich mag es nicht, wenn man mich manipuliert. Ihretwegen habe ich heute einen Menschen getötet.«
»Das war seine eigene Schuld. Er war übereifrig. Oder vielleicht hat er Sie auch unterschätzt. Aber Ihr Verhalten in dieser Situation hat alles bestätigt, was ich über Sie gehört habe.«
»Töten scheint etwas zu sein, was Sie auf die leichte Schulter nehmen. Ich nicht.«
»Aber nach allem, was ich über Sie gehört habe, sind Sie damit durchaus vertraut.«
»Ist das wieder eine Information Ihrer Freunde?«
»Die sind tatsächlich gut informiert.« Sie zeigte auf den Tisch. Ihm war bereits ein altes Buch aufgefallen, das auf dem zernarbten Eichenholz lag. »Sie sind ein Buchantiquar. Schauen Sie sich das einmal an.«
Langsam trat er näher und steckte die Pistole in seine Jackentasche. Er war zu dem Schluss gekommen, dass er inzwischen schon tot wäre, wenn das im Interesse dieser Frau läge.
Das Buch maß etwa fünfzehn mal dreiundzwanzig Zentimeter und war fünf Zentimeter dick. Er ging kurz die Hinweise durch, die auf seine Herkunft schließen ließen. Gebunden war es in braunes Kalbsleder. Die Prägung war ohne Gold oder Farbe vorgenommen worden. Der Buchrücken war unverziert, was gewisse Rückschlüsse auf das Alter des Buches erlaubte …
Vorsichtig schlug er den Einband auf und warf einen Blick auf die zerfledderten, dunkel verfärbten Pergamentseiten. Er untersuchte sie und entdeckte einen unentzifferbaren Text in einer ihm unbekannten Sprache, mit Zeichnungen an den Rändern.
»Was ist das?«
»Ich will Ihnen eine Antwort geben, indem ich Ihnen erzähle, was sich an einem Sonntag im Mai tausend Jahre nach Christus nördlich von hier in Aachen zugetragen hat.«
Otto III. sah zu, wie die letzten Hindernisse, die ihn von seinem kaiserlichen Schicksal trennten, zertrümmert wurden. Er stand in der Vorhalle der Palastkapelle, eines heiligen Bauwerks, das zwei Jahrhunderte zuvor von dem Mann errichtet worden war, dessen Grab er nun betreten würde.
»Wir sind so weit, Majestät« , erklärte von Lomello.
Der Graf, ein unangenehmer Mensch, sorgte dafür, dass die Kaiserpfalz während der Abwesenheit des Kaisers nicht verkam. In Ottos Fall schien das den größten Teil der Zeit zu betreffen. Als Kaiser hatte er nie viel für die deutschen Wälder übrig gehabt, und auch nicht für Aachens heiße Quellen, für die kalten Winter und den völligen Mangel an Zivilisation. Er zog die Wärme und Kultur Roms vor.
Arbeiter räumten die letzten zerbrochenen Bodenplatten beiseite.
Sie hatten nicht genau gewusst, wo sie die Ausgrabung vornehmen sollten. Die Krypta war vor langer Zeit versiegelt worden, und nichts wies auf ihre genaue Lage hin. Man hatte gehofft, den Verstorbenen so vor dem bevorstehenden Einfall der Wikinger beschützen zu können, und das hatte auch funktioniert. Als die Normannen die Kapelle 881 plünderten, hatten sie den Bestatteten nicht gefunden. Aber von Lomello hatte vor Ottos Eintreffen eine Erkundungsmission unternommen, und es war ihm gelungen, eine vielversprechende Stelle zu
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