Cotton Malone 04 - Antarctica
Lektüre jener Worte nur dem zu gestatten, der zwei weitere Wahrheiten kennt. Die erste vermache ich hiermit meinem Sohn mit der Anweisung, sie für seinen Sohn und danach für dessen Sohn und so weiter bis in alle Ewigkeit aufzubewahren. Hüte die Schrift gut, denn sie ist in der Sprache der Kirche verfasst und leicht zu verstehen, doch ihre Botschaft ist nicht vollständig. Die zweite Wahrheit, die das volle Verständnis der bei Kaiser Karl ruhenden Weisheit ermöglicht, beginnt im neuen Jerusalem. Die Offenbarung wird enthüllt werden, wenn das Geheimnis dieses wundersamen Ortes gelüftet ist. Löse dieses Rätsel, indem du die Vollkommenheit des Engels auf die Heiligung unseres Herrn anwendest. Doch nur, wer den Thron Salomons und die römische Frivolität zu schätzen weiß, wird den Weg zum Himmel finden. Sei gewarnt, weder ich noch die Heiligen haben mit Unwissen Geduld.
»Ich hatte Ih nen ja davon erzählt«, sagte sie. »Von der Suchfahrt Karls des Großen. Dieses Rätsel müssen wir lösen. Wir müssen jene Lösung finden, die Otto III. und sämtlichen Heiligen Römischen Kaisern nach ihm entgangen ist. Gelingt uns das, wird sie uns zu dem führen, was unsere Väter damals in der Antarktis gesucht haben.«
Malone schüttelte den Kopf. »Sie sagten, Ihr Großvater sei dort gewesen und habe von dort Zeugnisse mitgebracht. Offensichtlich hat er das Rätsel gelöst. Hat er diese Lösung nicht hinterlassen?«
»Er hat keine Aufzeichnungen über das hinterlassen, was er gefunden hat. Wie schon gesagt, er wurde senil und konnte keine Auskunft mehr geben.«
»Und warum ist das jetzt so wichtig geworden?«
Sie zögerte mit ihrer Antwort. »Weder Großvater noch Vater interessierten sich sehr für Geschäfte. Ihr Interesse galt der Welt. Unglückseligerweise lebte Großvater zu einer Zeit, als Ideen nicht kontrovers diskutiert werden konnten. So war er gezwungen, allein zu arbeiten. Und Vater war ein hoffnungsloser Träumer, der nicht das Zeug dazu hatte, irgendetwas zu erreichen.«
»Offensichtlich hat er es geschafft, an Bord eines amerikanischen U-Boots in die Antarktis zu gelangen.«
»Was eine Frage aufwirft.«
»Warum die amerikanische Regierung so viel Interesse an der Sache hatte, dass sie ihn für diese Fahrt engagierte?«
Malone wusste, dass sich das teilweise durch die Geisteshaltung der damaligen Zeit erklären ließ. In den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren ging Amerika einer Reihe von unkonventionellen wissenschaftlichen Fragestellungen nach. Man forschte über paranormale Phänomene, Außersinnliche Wahrnehmung, Bewusstseinskontrolle oder UFOs. In der Hoffnung, irgendeinen Vorteil den Sowjets gegenüber zu erringen, wurden auch ungewöhnliche Sichtweisen untersucht. Hatte es sich um einen dieser Versuche gehandelt?
»Ich hatte gehofft, dass Sie das vielleicht erklären könnten«, sagte Christl.
Doch er wartete noch immer auf eine Antwort auf seine Frage. Also hakte er noch einmal nach. »Warum ist das gerade jetzt so wichtig geworden?«
»Es könnte eine große Rolle spielen. Es könnte sogar buchstäblich unsere Welt verändern.«
Hinter Christl tauchte ihre Mutter auf. Die alte Dame kam mit lautlosen Schritten auf sie zu.
»Lass uns allein«, befahl sie ihrer Tochter.
Christl zog sich wortlos zurück.
Malone stand auf, Einhards letzten Willen in Händen.
Isabel richtete sich auf. »Sie und ich, wir haben etwas zu besprechen.«
27
Jacksonville, Florida
01.20 Uhr
Charlie Smith wartete auf der Straßenseite gegenüber. Er hatte noch eine letzte Aufgabe zu erledigen, bevor seine Nachtschicht endete.
Commander Zachary Alexander, pensionierter Navy-Offizier, hatte die letzten dreißig Jahre mit nichts als Gejammer zugebracht. Sein Herz sei nicht in Ordnung, klagte er. Die Milz. Die Leber. Die Knochen. Kein Körperteil war von seinen ständigen Ängsten verschont geblieben. Vor zwölf Jahren war er überzeugt gewesen, dass er eine Blinddarmentzündung hatte, bis ein Arzt ihn daran erinnerte, dass sein Blinddarm schon zehn Jahre zuvor entfernt worden war. Als jahrelanger starker Raucher war er vor drei Jahren plötzlich überzeugt gewesen, dass er von Lungenkrebs befallen war, doch eine Untersuchung nach der anderen wies ihn als gesund aus. Vor kurzem war Prostatakrebs zu einem weiteren seiner eingebildeten Leiden mutiert; wochenlang hatte er versucht, die Spezialisten von seiner Erkrankung zu überzeugen.
Heute Nacht würden Zachary Alexanders Sorgen jedoch ein für alle
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