Cotton Malone 04 - Antarctica
nutzlos?«
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Schmeichelei? Sie versuchen aber auch alles.«
Sie lächelte.
Eines wollte er wissen. »Warum hat Dorothea die Unterlagen in der Abtei gestohlen und das Original zumindest eines der Dokumente in der Burg zurückgelassen?«
»Dorothea war nur selten im Kellergeschoss von Reichshoffen. Sie weiß kaum, was sich dort befindet.«
»Und wer hat die Frau aus der Seilbahn getötet?«
Ihr Gesicht verhärtete sich. »Dorothea.«
»Aus welchem Grund?«
Sie zuckte die Schultern. »Sie müssen wissen, dass meine Schwester kein oder fast kein Gewissen besitzt.«
»Sie beide sind die eigenartigsten Zwillinge, mit denen ich je zu tun hatte.«
»Auch wenn wir zur gleichen Zeit zur Welt gekommen sind, macht uns das einander doch nicht ähnlich. Wir haben immer Abstand voneinander gehalten, und den genießen wir beide.«
»Und was geschieht, wenn Sie beide alles erben?«
»Ich denke, Mutter hofft, dass unsere derzeitigen Nachforschungen unsere Meinungsverschiedenheiten beenden.«
Er bemerkte, wie reserviert sie klang. »Aber dazu wird es nicht kommen?«
»Wir haben beide versprochen, dass wir uns Mühe geben würden.«
»Sie haben eine sonderbare Art, sich Mühe zu geben.«
Er sah sich im Dom um. Einige Meter entfernt, im äußeren Polygon, stand der Hauptaltar.
Christl bemerkte sein Interesse. »Die vordere Verkleidung soll aus Gold bestehen, das Otto III. im Grab Karls des Großen gefunden hat.«
»Ich weiß schon, was Sie gleich wieder sagen: Aber keiner weiß es mit Sicherheit. «
Ihre bisherigen Erklärungen waren präzise gewesen, doch das bedeutete nicht, dass sie stimmten. Er sah auf die Uhr und stand auf. »Wir müssen etwas essen.«
Sie warf ihm einen überraschten Blick zu. »Sollten wir nicht erst das hier erledigen?«
»Das würde ich tun, wenn ich wüsste, wie.«
Vor ihrem Eintritt in den Dom hatten sie einen Abstecher zu einem Souvenirladen gemacht und dort erfahren, dass der Dom bis neunzehn Uhr geöffnet blieb und dass die letzte Führung um achtzehn Uhr begann. Außerdem hatte er eine Sammlung von Domführern und Geschichtsmaterialien bemerkt, manche auf Englisch, die meisten allerdings auf Deutsch. Zum Glück war er des Deutschen recht gut mächtig.
»Wir müssen noch eine Kleinigkeit einkaufen und dann essen gehen.«
»Der Marktplatz ist ganz in der Nähe.«
Er zeigte aufs Hauptportal. »Gehen Sie voran.«
35
Charlotte, North Carolina
11.00 Uhr
Charlie Smith trug verwaschene Jeans, ein dunkles Strickhemd und Stiefel mit Stahlkappen. All das hatte er ein paar Stunden zuvor in einem Walmart gekauft. Er kam sich vor wie einer der Duke Boys in der Fernsehserie Hazzard County, der gerade einmal wieder aus dem Fahrerfenster des General Lee geklettert ist. Der leichte Verkehr auf dem zweispurigen Highway nördlich von Charlotte hatte ihm ein angenehmes Tempo gestattet, und jetzt stand er zitternd im Wald und sah auf das Haus, das ungefähr vierhundert Quadratmeter maß.
Er kannte seine Geschichte.
Herbert Rowland hatte das Grundstück im Alter von etwa dreißig Jahren gekauft, es bis zum Alter von vierzig Jahren abbezahlt und mit fünfzig dort das Haus errichtet. Zwei Wochen nach seinem Abschied von der Navy hatten Rowland und seine Frau einen Umzugswagen beladen und waren die zwanzig Meilen von Charlotte hierhergekommen. Seit zehn Jahren lebten sie nun friedlich neben dem See.
Auf dem Flug von Jacksonville nach Norden hatte Smith das Dossier studiert. Rowland hatte zwei echte medizinische Probleme. Das erste war eine seit langer Zeit bestehende Diabetes vom insulinabhängigen Typ 1. Sie ließ sich durch tägliche Insulinspritzen behandeln. Das zweite war eine Neigung zum Alkohol, wobei Rowlands Vorliebe dem Whiskey galt. Als eine Art Kenner gab er einen Teil seiner monatlichen Pension für erstklassige Marken in einem teuren Getränkeshop in Charlotte aus. Er trank immer nur zu Hause, abends, zusammen mit seiner Frau.
Smith’ Notizen aus dem vergangenen Jahr legten einen durch die Diabetes verursachten Tod nahe. Aber es hatte ihn einiges Nachdenken gekostet, bis er eine Methode gefunden hatte, zu diesem Ergebnis zu kommen, ohne dabei Verdacht zu erregen.
Die Haustür ging auf, und Herbert Rowland schlenderte in den strahlenden Sonnenschein hinaus. Der ältere Herr ging direkt zu einem schmutzigen Ford Tundra und fuhr weg. Ein zweites Fahrzeug, das Rowlands Frau gehörte, war nirgends zu sehen. Smith wartete zehn Minuten im Unterholz und beschloss
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