Cotton Malone 05 - Der Korse
Rollen waren vertauscht. Diesmal steckte sein Freund in Schwierigkeiten.
Thorvaldsen blieb auf der Bettkante sitzen, ein Sturmgewehr quer auf dem Schoß, und in seinem Gesicht stand ein Ausdruck größter Niedergeschlagenheit.
»Ich habe vorhin von Mexico City geträumt«, erzählte Malone. »Es ist immer dasselbe. Ich kann nie den dritten Mann erschießen.«
»Aber du hast es getan.«
»Aus irgendeinem Grund kann ich es im Traum nicht.«
»Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte Thorvaldsen Sam Collins.
»Ich bin direkt zu Mr. Malone gegangen …«
»Fangen Sie nicht damit an«, entgegnete der. »Ich heiße Cotton.«
»Okay. Cotton hat sich um die Verfolger gekümmert.«
»Und mein Laden ist zerstört. Schon wieder.«
»Er ist versichert«, stellte Thorvaldsen klar.
Malone sah seinen Freund aufmerksam an. »Warum haben diese Männer Sam verfolgt?«
»Ich hatte gehofft, dass sie das nicht tun würden. Geplant war es so, dass sie hinter mir her sein sollten. Darum habe ich Sam in die Stadt geschickt. Aber anscheinend waren die Angreifer mir einen Schritt voraus.«
»Was machst du da eigentlich gerade, Henrik?«
»Ich habe die letzten zwei Jahre nach Hinweisen gesucht. Ich wusste, dass hinter dem, was damals an jenem Tag in Mexico City passiert ist, mehr steckte. Dieses Massaker war kein Terroranschlag. Es war ein geplanter Mord.«
Malone wartete auf mehr.
Thorvaldsen zeigte auf Sam. »Dieser junge Mann ist recht intelligent. Seine Vorgesetzten begreifen nicht, wie klug er tatsächlich ist.«
Malone bemerkte, dass Tränen in den Augenwinkeln seines Freundes glänzten. So etwas hatte er bisher noch nie gesehen.
»Er fehlt mir, Cotton«, flüsterte Thorvaldsen, der immer noch Sam ansah.
Malone legte dem alten Mann die Hand auf die Schulter.
»Warum musste er sterben?«, fragte Thorvaldsen.
»Das musst du mir sagen«, antwortete Malone. »Warum ist Cai gestorben?«
»Papa, wie geht es dir heute?«
Thorvaldsen freute sich auf Cais wöchentliche Anrufe, und er mochte es, dass sein Sohn ihn, obwohl er fünfunddreißig war und der Elite von Dänemarks diplomatischem Corps angehörte, noch immer Papa nannte.
»Es ist einsam in diesem großen Haus, aber Jesper sorgt dafür, dass es interessant bleibt. Er beschneidet die Sträucher im Garten, und wir beide sind uns nicht einig, wie weit er sie stutzen soll. Er ist ein Dickschädel. «
»Aber Jesper hat immer recht. Das wissen wir doch seit langem. «
Thorvaldsen kicherte. »Das werde ich ihm niemals sagen. Wie steht es da drüben auf der anderen Seite des Ozeans?«
Cai hatte darum gebeten, dem dänischen Konsulat in Mexico City zugewiesen zu werden, und man hatte seinem Wunsch entsprochen. Von klein auf war Thorvaldsens Sohn von den Azteken fasziniert gewesen und genoss es, sich in der Nähe dieser uralten untergegangenen Kultur aufzuhalten.
»Mexico ist eine erstaunliche Stadt. Hektisch, verstopft und chaotisch, gleichzeitig aber faszinierend, herausfordernd und romantisch. Ich bin froh, dass ich hergekommen bin. «
»Und was ist mit der jungen Dame, die du kennengelernt hast?«
»Elena ist wirklich wunderbar. «
Elena Ramirez Rico arbeitete für die Bundesanwaltschaft in Mexico City und war einem Sonderermittlerteam zugeteilt worden. Cai hatte ihm ein wenig davon erzählt, aber viel mehr über Elena selbst gesprochen. Offensichtlich war sein Sohn sehr von ihr eingenommen.
»Du solltest sie einmal zu Besuch mitbringen. «
»Wir haben darüber geredet. Vielleicht Weihnachten. «
»Das wäre wundervoll. Unsere dänische Art, Weihnachten zu feiern, würde ihr gefallen, auch wenn sie unser Wetter vielleicht ungemütlich fände. «
»Sie hat mich zu vielen archäologischen Stätten geführt. Sie kennt sich mit der Geschichte ihres Landes fantastisch aus. «
»Du scheinst sie zu mögen. «
»Das tue ich, Papa. Sie erinnert mich an Mutter. Ihre Wärme. Und ihr Lächeln. «
»Dann muss sie reizend sein. «
»Elena Ramirez Rico«, berichtete Thorvaldsen, »hat Verbrechen im kulturellen Bereich verfolgt. Überwiegend Kunstraub und Raub von Artefakten. Das ist in Mexiko ein großes Geschäft. Sie stand kurz davor, zwei Männer anzuklagen. Einen Spanier und einen Briten. Beide waren tief in das Geschäft mit gestohlenen Artefakten verwickelt. Doch sie wurde ermordet, bevor es zur Anklage kam.«
»Warum sollte ihr Tod von Bedeutung gewesen sein?«, fragte ihn Malone. »Es wurde doch bestimmt ein neuer Staatsanwalt ernannt.«
»So ist es, aber der
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