Cotton Malone 05 - Der Korse
und Tomaten gebratene Meerbarbe, ihre ein junges Hähnchen in Weinsauce, mit Käse bestreut. Beide tranken sie einen Merlot.
»Kennen Sie die Geschichte, wie Napoleon 1840 exhumiert wurde, um ihn nach Frankreich zurückzubringen?«, fragte sie. Er schüttelte den Kopf.
»Sie illustriert, warum die Briten ihn niemals vergiftet hätten.«
Malone ging durch die verlassene Galerie. Es brannte kein Licht, und das Tageslicht von draußen war durch Kunststofffolie getrübt, die die Fenster schützte. Die Luft war warm und roch intensiv nach frischer Farbe. Viele der Schauvitrinen und Ausstellungsstücke waren mit farbbeklecksten Abdeckplanen verhüllt. An den Wänden standen Leitern. Auf der anderen Seite des Saals erhob sich ein weiteres Gerüst. Ein Abschnitt des Hartholzbodens war entfernt worden, und am Steinboden darunter wurden mit Schmutz verbundene Reparaturarbeiten durchgeführt.
Malone bemerkte weder Kameras noch Sensoren. Er kam an Uniformen, Rüstungen, Schwertern, Dolchen, Harnischen, Pistolen und Gewehren vorbei, die in mit Seide ausgelegten Vitrinen ausgestellt waren. Hier zog eine stete Technologieentwicklung an einem vorüber, bei der man von Generation zu Generation gelernt hatte, einander immer schneller zu töten. Überhaupt nichts wies auf die Schrecken des Krieges hin. Nur seine glorreiche Seite wurde beleuchtet.
Er umging noch eine im Boden klaffende Lücke und folgte der langen Galerie weiter. Seine Gummisohlen machten kein Geräusch.
Hinter sich hörte er, wie jemand die Metalltür zu öffnen versuchte.
Ashby stand im ersten Stock auf dem Treppenabsatz und sah zu, wie Mr. Guildhall gegen die Tür drückte, die in die Napoleongalerie führte.
Sie war durch irgendetwas blockiert.
»Ich dachte, die Tür wäre offen«, flüsterte Caroline.
Denn das hatte Larocque berichtet. Alles, was von Wert war, war schon vor Wochen weggebracht worden. Zurückgeblieben waren nur kleinere historische Objekte, die man drinnen gelassen hatte, da draußen der Lagerraum fehlte. Das Bauunternehmen das den Umbau durchführte, hatte sich einverstanden erklärt um die Ausstellungsgegenstände herumzuarbeiten. Zu diesem Zweck hatte er eigens eine Haftpflichtversicherung abschließen müssen.
Und doch blockierte irgendetwas die Tür.
Ashby wollte nicht die Aufmerksamkeit der Frau unten oder der Angestellten im Reliefkartenmuseum im Stockwerk darüber erregen.
»Zwingen Sie die Tür auf«, sagte er. »Aber leise.«
Die französische Fregatte LA BELLE POULE traf im Oktober 1840 mit einer Truppenabordnung ein, die vom Prince de Joinville, dem dritten Sohn des Königs Louis Philippe, geführt wurde. Der britische Gouverneur Middlemore schickte seinen Sohn, um das Schiff zu begrüßen, und die Küstenbatterie der Royal Navy gab zu Ehren der Gäste einundzwanzig Salutschüsse ab. Am 15. Oktober, genau fünfundzwanzig Jahre nach der Ankunft Napoleons auf St. Helena, nahm man die Aufgabe, den Leichnam des Kaisers zu exhumieren, in Angriff. Die Franzosen wollten ihre Seeleute graben lassen, aber die Briten bestanden darauf, die Arbeit mit ihren eigenen Leuten durchzuführen. Einheimische Arbeiter und britische Soldaten schufteten in strömendem Regen die ganze Nacht hindurch. Neunzehn Jahre waren vergangen, seit man Napoleons Sarg in der Erde versenkt und mit Backsteinen und Zement ummauert hatte, und die Umkehrung dieses Vorgangs erwies sich als Herausforderung. Die Steine einen nach dem anderen freizulegen, mit Metallbändern verstärkte Mauerschichten aufzubrechen und die vier Sargdeckel aufzustemmen, um schließlich auf den toten Kaiser zu stoßen, bereitete große Mühe.
Eine Reihe Personen, die mit Napoleon auf St. Helena gelebt hatten, waren zurückgekehrt, um Zeugen der Exhumierung zu werden. General Gourgaud. General Bertrand. Pierron, der Patissier. Archambault, der Stallbursche. Noverraz, der dritte Kammerdiener. Marchand und Saint-Denis, die nie von der Seite des Kaisers gewichen waren.
Der Leichnam Napoleons war in weiße Satinfetzen gehüllt, die vom Sargdeckel herabgefallen waren. Die schwarzen Reitstiefel waren aufgerissen und ließen weißlich blasse Zehen erkennen. Die Beine waren noch immer mit weißen Reithosen bedeckt, und der Hut lag so neben ihm, wie man ihn vor Jahren hingelegt hatte. Das Silbergefäß, in dem sein Herz lag, stand zwischen den Schenkeln. Die Hände – weiß, hart und vollkommen erhalten – trugen lange Nägel. Hinter zurückgezogenen Lippen lugten drei Zähne hervor, das
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