Cotton Malone 05 - Der Korse
erklärte, was ihre Familie seit langem über Napoleon wusste.
»Pozzo di Borgo hat gründlich erkundet, was alles auf St. Helena geschehen ist«, sagte sie. »Das, was ich gerade beschrieben habe, hat sich etwa zwei Monate vor Napoleons Tod ereignet.«
Er lauschte ihr mit gespielter Aufmerksamkeit.
»Napoleon war ein abergläubischer Mann«, erzählte sie. »Er glaubte an das Schicksal, war aber niemals bereit, sich seiner Unvermeidlichkeit zu beugen. Er hörte gerne, was er hören wollte.«
Sie saßen im Le Grand Véfour unter etlichen anderen noblen Gästen und blickten auf die Gärten des Palais Royal hinaus. Die Speisekarte verkündete stolz, dass das Restaurant ins Jahr 1784 zurückreichte, und damals wie heute speisten die Gäste zwischen vergoldeten Ornamenten des achtzehnten Jahrhunderts und zart bemalten Wandpaneelen. Dies hier war kein Ort, den Thorvaldsen normalerweise frequentierte, aber Larocque hatte ihn angerufen, ein gemeinsames Mittagessen vorgeschlagen und das Restaurant ausgewählt.
»Die Wirklichkeit spricht jedoch eine eindeutige Sprache«, fuhr sie fort. »Alles, was der ägyptische Zauberer vorhergesagt hat, ist eingetreten. Josephine wurde tatsächlich Kaiserin, und Napoleon ließ sich von ihr scheiden, weil sie ihm keinen Erben schenken konnte.«
»Ich dachte, er hätte sich von ihr getrennt, weil sie ihm untreu war.«
»Das war sie tatsächlich, aber er war es ebenfalls. Marie Louise, die achtzehnjährige Erzherzogin von Österreich, weckte schließlich seine Begeisterung, und so heiratete er sie. Sie brachte den Sohn zur Welt, den er sich gewünscht hatte.«
»So war das damals mit den Monarchien«, sinnierte er.
»Ich glaube, Napoleon hätte einen solchen Vergleich mit den Monarchen seiner Zeit als Kränkung empfunden.«
Jetzt kicherte Thorvaldsen. »Dann war er ein ziemlicher Dummkopf. Er war nichts anderes als ein Monarch.«
»Genau wie vorhergesagt, ließ Napoleons Glück ihn tatsächlich nach seiner zweiten Heirat 1809 im Stich. Es begann mit dem gescheiterten Russlandfeldzug 1812, als seine Armee auf dem Rückzug stark dezimiert wurde. Die Koalition von 1813 brachte England, Preußen, Russland und Österreich gegen ihn zusammen. Es folgten seine Niederlagen in Spanien und bei Leipzig, dann der Zusammenbruch in Deutschland und der Verlust der Niederlande. Paris fiel 1814, und er dankte ab. Man verbannte ihn auf Elba, aber er entkam und versuchte, Ludwig XVIII. Paris wieder abzunehmen. Doch endlich, am 18. Juni 1815, kam sein Waterloo und es war vorbei. Danach ging es zum Sterben auf St. Helena.«
»Sie hassen diesen Mann ernstlich, nicht wahr?«
»Was mich ärgert, ist, dass wir niemals vollständig über ihn Bescheid wissen werden. Er hat die fünf Jahre seines Exils auf St. Helena damit verbracht, sein Image aufzupolieren, indem er eine Autobiografie schrieb, die letztlich mehr erfunden als wahrhaftig war und in der er die Geschichtsschreibung zu seinem Vorteil zurechtstutzte. Tatsächlich war er ein Mann, der seine Frau innig liebte, aber sich rasch von ihr scheiden ließ, als sie ihm keinen Erben schenkte. Ein General, der beteuerte, seine Soldaten sehr zu lieben, und sie doch zu Hunderttausenden opferte. Angeblich war er furchtlos, aber er verließ seine Männer wiederholt, wenn es sich als nützlich erwies. Er war ein Staatsführer, der nichts mehr wollte, als Frankreich stark zu machen, und doch verwickelte er die Nation ständig in Kriege. Ich denke, es ist klar, warum ich ihn verabscheue.«
Er dachte, es wäre vielleicht angebracht, noch einmal nachzulegen. »Wussten Sie, dass Napoleon und Josephine hier gespeist haben? Man sagte mir, dieser Raum hier sähe im Großen und Ganzen noch genauso aus wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts.«
Sie lächelte. »Das wusste ich. Aber es ist interessant, dass Sie über so etwas informiert sind.«
»Hat Napoleon wirklich diesen Zauberer in Ägypten ermorden lassen?«
»Er hat einem seiner Savants, einem gewissen Monge, befohlen, es zu tun.«
»Hängen Sie der Theorie an, dass Napoleon vergiftet wurde?« Er wusste, dass man ihm angeblich kleine Mengen Arsen ins Essen und Trinken gemischt hatte, genug, um ihn schließlich umzubringen. Moderne Tests an Haarsträhnen, die überdauert hatten, belegten eine hohe Arsenkonzentration.
Sie lachte. »Die Briten hatten keine Veranlassung, ihn zu ermorden. Tatsächlich trifft sogar das Gegenteil zu. Sie wollten, dass er am Leben blieb.«
Die Vorspeisen kamen. Seine war eine mit Öl
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