Cotton Malone 05 - Der Korse
Thorvaldsen hatte Malone über sie informiert. Sie war Ashbys Geliebte und hatte darüber hinaus Universitätsabschlüsse in mittelalterlicher Geschichte und Literatur vorzuweisen. Wenn sie hier war, bedeutete das, dass Ashby glaubte, hier etwas Wichtiges finden zu können.
Der Lärmpegel um ihn herum stieg, und Malone drehte sich um. Durch die Haupttore wogten Ströme von Besuchern herein. Malone sah zu, wie jeder neue Besucher seine Eintrittskarte löste.
Er blickte sich um und bewunderte den Marmor ringsum. Die Kuppel wurde von majestätischen korinthischen Säulen getragen. Symbole der Monarchie waren in den Stein eingemeißelt und erinnerten den Besucher daran, dass die jetzige letzte Ruhestätte des Kaisers einmal eine Kirche von Königen gewesen war.
»Napoleon ist 1821 auf St. Helena gestorben«, hörte er einen der Touristenführer einer Gruppe in der Nähe auf Deutsch erklären. »Die Briten haben ihn dort mit wenig Ehren an einer stillen Stelle begraben. Aber in seinem letzten Willen hat Napoleon festgehalten, er wolle, dass seine Asche am Ufer der Seine ruhe, in der Mitte des französischen Volks, das ich so innig geliebt habe. 1840 beschloss König Louis Philippe, diesem Wunsch nachzukommen und den Kaiser nach Hause zu holen. Mit dieser Entscheidung suchte er einerseits den Beifall der Öffentlichkeit, andererseits wollte er die Franzosen mit ihrer Geschichte versöhnen. Inzwischen war Napoleon zu einer Legende geworden. Und so empfing der König am 15. Dezember 1840 in einer großartigen Zeremonie die Gebeine des Kaisers im Invalidendom. Allerdings waren dann zwanzig Jahre nötig, um die Kirche umzubauen und die Krypta auszuheben, die Sie dort unten sehen.«
Malone trat von dem Marmorgelände zurück, während die Deutschen sich näher drängten und auf den eindrucksvollen Sarkophag hinunterblickten. In dichter Folge näherten sich noch weitere Gruppen. Er bemerkte, dass ein Mann zu Ashby getreten war. Mittelgroß, ausdrucksloses Gesicht. Schütteres, graues Haar. Die schmale Gestalt war mit einem Mantel bekleidet.
Das musste Guildhall sein.
Thorvaldsen hatte Malone auch über diesen Mann informiert.
Die drei traten vom Geländer weg und wandten sich zum Gehen.
Improvisiere.
Er hatte Sam doch gesagt, dass Agenten das taten.
Er schüttelte den Kopf.
Ja, richtig.
Ashby verließ den Invalidendom, ging außen um ihn herum und stieß auf eine lange, von Kanonen gesäumte Arkade, die in Les Invalides hineinführte. Der riesige Komplex umfasste zwei Kirchen, einen Ehrenhof, ein Militärmuseum, einen Garten und eine elegante Esplanade, die sich von der Nordfassade bis zur beinahe einen Kilometer entfernten Seine erstreckte. Der 1670 von Ludwig XIV. zur Beherbergung und Versorgung invalider Soldaten errichtete, mehrstöckige Gebäudekomplex war ein Meisterwerk des französischen Klassizismus.
Hier hatte sich, ganz ähnlich wie in Westminster, Historisches ereignet. Malone stellte sich den 14. Juli 1789 vor, als ein Mob die Wachen überwältigt und das unterirdische Gewehrlager geplündert hatte. Mit den entwendeten Waffen war dann noch am selben Tag die Bastille erstürmt und die Französische Revolution eingeleitet worden. Hier hatten einmal siebentausend Militärveteranen gelebt, und nun wimmelte es hier von Touristen.
»Gibt es eine Möglichkeit, ins Museum zu kommen?«, fragte Caroline.
Seit dem vorigen Abend hatte Ashby noch dreimal mit Eliza Larocque gesprochen. Zum Glück war es ihr gelungen, sehr viele relevante Informationen zu erlangen.
»Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird.«
Sie betraten den Ehrenhof, einen gepflasterten Platz, der auf vier Seiten von langen, zweigeschossigen Galerien umschlossen war. Er maß vielleicht hundert mal sechzig Meter. Der riesige Hof wurde von einer Bronzestatue Napoleons bewacht, die oben über dem mit einem Ziergiebel versehenen Eingang der Soldatenkirche stand. Ashby wusste, dass hier die Stelle war, wo de Gaulle Churchill nach dem Zweiten Weltkrieg aus Dankbarkeit geküsst hatte.
Er zeigte nach links, auf eine der strengen klassischen Fassaden, die eher eindrucksvoll als attraktiv wirkten.
»Da drüben liegen die ehemaligen Refektorien, wo die Veteranen ihre Mahlzeiten eingenommen haben. Dort beginnt das Armeemuseum.« Er zeigte nach rechts auf ein weiteres Refektorium. »Und dort endet es. Das ist unser Ziel.«
Das Gebäude zur Linken war von einem Gerüst umgeben. Larocque hatte ihm gesagt, dass derzeit das halbe Museum
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