Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn
fuhren aber nicht los.
Kurz darauf kam Philippa Decker aus dem Haus. Cotton erkannte sie sofort wieder. Sie sprach kurz mit dem Fahrer und stieg dann in den Dodge Challenger.
Sie. Stieg. In. Den. Dodge.
Cotton konnte es nicht fassen. Er starrte auf die andere Straßenseite, hörte die acht Zylinder des Dogde aufbrüllen, und dann scherte er schon mit einem Ruck in den laufenden Verkehr. Der Lieferwagen folgte unmittelbar dahinter. Ehe Cotton sich versah, hatten sie die Mulberry Street überquert, und die Ampel schaltete auf Rot.
Fluchend nahm Cotton die Verfolgung auf, immer noch fassungslos über Deckers fahrbaren Untersatz. Der Punkt war: Das FBI setzte keine Dodge Challenger als Dienstwagen ein, es sei denn, bestimmte Ermittlungen in einem bestimmten Umfeld machten es erforderlich, dass ein so schnelles Fahrzeug benutzt werden musste. Aber als Dienstwagen? Das gab es einfach nicht. Aber es passte zu der Information, die er von Samantha bekommen hatte.
Cotton sah, wie der Lieferwagen hinter dem Dodge rechts in die Mott Street einbog. Immerhin die Richtung zum New Yorker Hauptquartier des FBI an der Federal Plaza.
Kyles Karre keuchte asthmatisch, als Cotton aufs Gaspedal trat, und kroch mit kaum mehr als dreißig Meilen pro Stunde hinterher. Zum Glück war der Verkehr dicht genug. Auf der Worth Street hatte Cotton den Dodge und den Lieferwagen wieder eingeholt. Sie fuhren direkt auf das große FBI-Gebäude zu, doch anstatt links in die Tiefgarage abzubiegen, fuhren sie noch zweihundert Meter weiter, bogen links in den Broadway ab, fuhren einmal um den Block und dann durch die Thomas Street auf ein monolithisches Bürohochhaus mit einer Tiefgarage zu.
Als die beiden Wagen im Untergrund verschwanden, überlegte Cotton einen Moment, ob er Gas geben und ihnen folgen sollte, ließ es dann aber. Stattdessen parkte er in der Nähe, betrat das große Bürohaus und nahm den Lift nach unten.
Der Lieferwagen und der Dodge parkten am Ende der Tiefgarage neben einer Stahltür mit einem Kartenlesegerät. Von Philippa Decker und den beiden Männern war nichts mehr zu sehen. Cotton zog Maggie Huangs ID-Karte durch das Lesegerät an der Stahltür und war nicht mal überrascht, als die grüne Leuchtdiode blinkte. Hinter der Stahltür führte ein langer, bunkerartiger Gang geradeaus unter dem Gebäude hindurch. Als Cotton die nächste Sicherheitstür erreichte, schätzte er, dass er sich direkt unterhalb des Bürohauses von Cyberedge an der Thomas Street befinden musste.
Und hinter dieser zweiten Sicherheitstür lag das Paradies.
Obwohl Cotton immer noch keine Ahnung hatte, wo er sich eigentlich befand, erkannte er sofort, dass hier wahrhaftig das Paradies war. Sein Paradies. Der Ort, von dem er seit elf Jahren träumte.
Vor ihm öffnete sich eine fensterlose Kommunikationszentrale, mehr eine diffus beleuchtete Halle aus nacktem Beton, die an einer Seite von einer gigantischen Monitorwand beherrscht wurde, die wechselnde Ausschnitte von New York und Drohnenaufnahmen der Ostküste zeigte. Gedämpftes Stimmengewirr, knappe Anweisungen, Telefongespräche und Durchsagen erfüllten den Raum, vermischt mit dem Surren der Lüftung. Ungefähr zwei Dutzend Angestellte saßen in der Halle verteilt und arbeiteten konzentriert vor ihren Monitoren. Die meisten trugen legere Zivilkleidung, doch es gab hier auch uniformierte und bewaffnete Sicherheitsleute mit FBI-Marken. Daraus schloss Cotton, dass er sich im Befehlsstand einer geheimen Regierungsbehörde befand. Was seine Lage nicht weniger gefährlich machte, denn kein Geheimdienst schätzte es, wenn man in seinem Hauptquartier herumschnüffelte.
Oberhalb der offenen Arbeitsplätze vor der Monitorwand gab es eine umlaufende Galerie mit gläsernen Büros. Cotton entdeckte Decker in einem großen zentralen Büroraum. Offenbar erstattete sie einem hochgewachsenen Schwarzen in einem dunklen Anzug Bericht.
Cotton bewegte sich seitlich unter der Galerie hindurch, um nicht auffällig lange stehen zu bleiben, behielt Decker aber immer im Blick. Denn obwohl sich im Moment niemand für ihn zu interessieren schien, brauchte er dringend einen Plan, wie er hier auch wieder rauskam. Auf der anderen Seite hatte er im Grunde gar nicht vor, diesen Ort so schnell wieder zu verlassen. Wer will schon zurück, wenn er erst einen Blick ins Paradies geworfen hat.
Doch die Frage, die Cotton im Augenblick viel mehr als alles andere beschäftigte, lautete: Was für ein Laden war das hier eigentlich?
Um das
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