Couchgeflüster
ich, atme tief durch und gebe die Verlassene, weil ich weiß, dass Frau Pusch Witwe ist und daher sicher ein großes Herz für einsame Frauen hat. «Er ist plötzlich ausgezogen.»
«Muffensausen, wa?»
Schniefend bestätige ich ihre Vermutung. «Ja, und nun sitze ich allein in der großen Wohnung …, und … und ehrlich gesagt, ist mir die Wohnung jetzt auch zu teuer.» Ich schniefe nochmal und drücke auf die Tränendrüse. «Aber am Schlimmsten ist, dass mich jede Ecke an meinen Ex-Verlobten erinnert», jammere ich leise. «Ich wollte daher fragen, wie schnell ich ausziehen kann.»
«Ach, det tut mir aber leid, meine Kleene.» Ihre Anteilnahme klingt echt. «Aber wenn de mir nen seriösen Nachmieter hast, kannste sofort raus aus der Wohnung. Und wenn allet in Ordnung iss, kriegste och die Kaution sofort zurück.»
«Ja, danke, das ist sehr freundlich. Ich kümmere mich darum.»
Grummelnd lege ich auf. Ich hab’s doch gewusst: Listensind doof! Kaum hat man einen Punkt erledigt, steht schon wieder ein neuer drauf: Nachmieter suchen!
Doch jetzt muss ich mich erst mal sputen, um vor der ersten Yogastunde am Nachmittag noch die nötigen Lebensmittel zu besorgen.
Im Supermarkt laufe ich orientierungslos durch die Regale. Was will ich überhaupt kochen? Warum habe ich keine Einkaufsliste geschrieben? Gibt es hier Biofleisch? Dann könnte ich ein asiatisches Hühnergericht zaubern. Und wo ist das frische Gemüse?
Puh, ist das anstrengend, zwischen all diesen Angeboten das Richtige zu finden. Konzentration, Nelly Nitsche, Konzentration!
Nach ungefähr fünfzehn Minuten (mein Zeitgefühl ist durch das Training meiner Yogastunden ziemlich präzise) habe ich tatsächlich alles gefunden. Es wird aber auch Zeit, gleich beginnt die nächste Trainingsstunde, und mir ist noch ganz schwindelig von der Hetzerei.
Nervös reihe ich mich in die Kassenschlange ein. Ich möchte rechtzeitig zurück sein, damit niemand vor der Studiotür warten muss und womöglich noch auf die absurde Idee kommt, es wäre geschlossen.
Noch drei Kunden vor mir.
Noch zwei.
Einer.
Eilig lege ich meine Waren auf das Förderband, und schon dringt die piepsige Stimme der schwarzhaarigen Kassiererin an mein Ohr.
«Macht jenau zweiundzwanzig Euro und zweiundzwanzig Cent. Meine erste Schnapszahl heute!», kichert sie vergnügtund wirft fröhlich ihre dunkle Haarpracht über die Schulter.
Ich krame in der Plastiktüte nach dem Geld und finde – nichts.
Panik steigt in mir auf. Wo ist denn der Fünfzig-Euro-Schein aus dem Sparschwein, den ich in die Tüte gesteckt habe? Ist er beim Auspacken der Lebensmittel rausgefallen?
Hektisch suche ich auf allen vieren den Fußboden nach meinem Geld ab.
In der Reihe hinter mir vernehme ich unwilliges Zischen, das mich noch nervöser werden lässt. Mir wird heiß. Meine Hände werden feucht. Und ich spüre rote Flecken an meinem Hals aufblühen.
Ungeduldig nuckelt die Kassiererin an ihrem Lippenpiercing rum. «Wat denn nu?», nörgelt sie genervt.
«Mist, ich muss ihn verloren haben», fluche ich leise vor mich hin und streiche mir verlegen ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Wieso habe ich nur vergessen, mir ein Käppi aufzusetzen oder die Haare zusammenzubinden?
«Tut mir leid, tut mir wirklich leid», entschuldige ich mich mit gesenktem Kopf bei den hinter mir anstehenden Kunden. «Ich muss mein Geld verloren haben … Ich weiß genau, dass ich es in die Tüte gesteckt hatte.»
Die meisten der Kunden scheinen in Eile zu sein. Ihr Unmut über die Verzögerung ist deutlich spürbar. Verzweifelt überlege ich, ob ich die Waren wieder zurückbringen oder vor Wut über meine Schusseligkeit explodieren soll, als plötzlich der süße, grünäugige Typ von der Currywurstbude vor mir steht.
Ja! Er ist es tatsächlich!
Aber er scheint sich nicht an unsere gestrige Begegnungzu erinnern. Das liegt sicher an meinen Haaren. Wenn ich sie offen trage, verändert mich das gewaltig. Aber mit der wilden Mähne und den roten Flecken sehe ich bestimmt schrecklich aus.
«Ist mir auch schon passiert», bemerkt er mitfühlend und lächelt mich verständnisvoll an.
Hilflos zucke ich mit den Schultern und lächle unsicher zurück. Seine warme Stimme jagt mir einen heißen Schauer über den Rücken. Mir wird ganz schlecht. Ich kann nicht anders, ich starre ihn an und bin unfähig, mich zu bewegen.
Sein rosa Hemd steckt nachlässig in einer hellen, ausgewaschenen Jeans, und auf seiner rechten Wange sehe ich
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