Couchgeflüster
eine Schlaffalte. Sieht aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen und ohne aufwendigen Badezimmeraufenthalt direkt in den Supermarkt geeilt. Am Nachmittag? Ist er etwa Türsteher in einem Club? Oder DJ?
Durchatmen, ermahne ich mich. Dabei entfährt mir unbeabsichtigt ein erschöpftes Stöhnen. Hoffentlich deutet er mein Geseufze nicht wieder als plumpe Anmache.
Die Kassiererin hat leider überhaupt kein Verständnis für Kundinnen, die rumstöhnen und ihr zeitraubende Extraarbeit bescheren.
«Denn muss ick det ja allet stornieren», verkündet sie ungehalten und richtet sich dann zu den Wartenden in der Schlange. «Det kann dauern, Herrschaften.» Energisch beugt sie sich zu dem Mikrophon neben ihrer Kasse und drückt auf einen Knopf. Kurz darauf erschallt im gesamten Supermarkt ein schriller Klingelton.
«Sylviaaa, Stornooo», brüllt die Kassiererin.
«Nicht nötig», mischt sich der Wuschelkopf ein und ziehtmit einer lässigen Geste ein dickes Bündel Scheine aus der Tasche seiner Jeans. «Ich regele das.»
Entnervt brüllt die Kassiererin erneut ins Mikro: «Iss juuut, Sylviaaa, hat sich erledigt.»
Perplex von so viel unerwarteter Hilfsbereitschaft starre ich meinen Retter an und stottere: «Ähm, danke, das … das ist … nett.»
Während ich die Sachen in die Tüte packe, könnte ich mich selber ohrfeigen. Was rede ich denn für einen Müll?
Nett
ist doch die kleine Schwester von
langweilig
. Und jetzt lächelt der Typ mich schon wieder so unverschämt süß an!
Wow! Mein schiefes Grinsen ist ganz bestimmt super dämlich. Doch ich kann einfach nicht anders: Vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen Held in einer glänzenden Rüstung auf einem weißen Pferd aus dem Supermarkt reiten.
Draußen, auf der Straße, habe ich mich wieder gefangen. Von dem wolkenlos blauen Himmel strahlt die Julisonne, und ein leichter Sommerwind zerzaust meine Haare.
Ich atme tief ein.
Langsam lässt meine Übelkeit nach. Die Vision ist verschwunden – mein Ritter ist es zum Glück nicht.
Befangen wandert mein Blick nach unten, zu seinen Füßen. Es sind äußerst gepflegte Füße in schwarzen Flipflops. Möglichst unauffällig versuche ich auch den Rest von ihm zu betrachten, was nicht so einfach ist. Er ist um einiges größer, und ich muss den Kopf heben.
«Das war wirklich … ähm … sehr hilfsbereit von dir», stottere ich eine Spur zu süßlich, presse meine Tüte an mich und trete unbeholfen von einem Bein aufs andere. «Wohnstdu hier in der Nähe? Dann flitze ich schnell zur Bank und …» Ich stocke, als mir einfällt, dass ich dort ja keinen Cent kriege.
«Meine Adresse?», fragt er zögernd, während er seine Einkäufe zwischen seinen Füßen abstellt. Dabei blinzelt er mich nachdenklich an und senkt dann unvermutet den Blick, als hätte ich ihm ein unsittliches Angebot unterbreitet.
«Oder ich schicke es dir per Post», ergänze ich schnell, um keine neuerliche Vision aufkommen zu lassen. Aber es ist zu spät. In Gedanken liege ich schon in seinen Armen.
«Ja, also … meine Adresse …» Stirnrunzelnd kratzt er sich am Kopf, als wäre ihm die Antwort entfallen. «Wie wär’s stattdessen mit … äh … einem Kaffee?»
Wieso hat er jetzt gestottert? Hegt er etwa ähnlich schlüpfrige Gedanken wie ich? Nein, das kann nicht sein. Wahrscheinlich hat er eher schlechte Erfahrungen mit Frauen gesammelt, die ihm auf die Pelle rücken – so süß, wie er aussieht. Der Gedanke kam mir ja schon bei unserer ersten Begegnung am
Curry-Eck
.
Ich schiebe meine Haare aus dem Gesicht und suche seinen Blick. «Oh … ähm, ja … dazu würde ich dich natürlich gerne einladen, aber leider hab ich ja kein Geld bei mir … wie du weißt. Ich müsste also auf jeden Fall erst mal welches besorgen. Geld, meine ich.» Ich stelle mir vor, wie wir in einem Café sitzen und uns plötzlich küssen.
Schmunzelnd unterbricht er meine Gedanken. «Wie wär’s dann mit Abendessen?»
Auweia, das gibt aber einen wirklich teuren Einkauf, denke ich resignierend. In welchem Restaurant kann man zu zweit für zwanzig Euro essen? Außer
Beim ollen Wilhelm
ein paar Buletten.
Unsere Blicke treffen sich. Mir wird schon wieder flau. Ich kann es nicht genau benennen, aber da ist etwas in seinen hellgrünen Augen, das geht mir durch und durch – wie ein Messer durch weiche Butter.
Was mache ich jetzt? Ich will ihn unbedingt wiedersehen! «Wie heißt du eigentlich?», wechsle ich
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