Couchgeflüster
während er sich seinen Erfolg außer Haus sucht. Happy Ends gibt’s eben doch nur im Kino.
In einem türkisfarbenen Trainingsanzug und einem extra netten Lächeln bin ich wenig später bereit, die Nachmittagsstunden abzuhalten. Ich will alles so perfekt machen, dass garantiert keiner mehr kündigt.
Doch der Trainingsraum füllt sich wieder nur spärlich. Zur Bodyshaping-Stunde, eigentlich eine der beliebtesten, erscheinen ganze fünf Frauen.
Es ist deprimierend.
Plötzlich sehe ich mich vor meinem geistigen Auge allein in meinem Studio frustriert auf eine leere Matte starren und tagelang vergeblich auf Schülerinnen warten. Irgendwann steht der Vermieter drohend in der Tür und fordert den Schlüssel, weil ich die ausstehende Miete nicht bezahlen konnte.
Der absolute Supergau.
Die anschließende Einsteiger-Stunde beginne ich mit einer Entspannungsübung für Nacken und Schultern, die ich selbst am allernötigsten habe.
«Auf die Fersen setzen … Bauch auf die Oberschenkel sinken lassen … Arme weit nach vorn … Hände vor euch auf den Boden legen … Finger spreizen … Tief ausatmen.»
Mit ganzer Kraft versuche ich alle Horrorvorstellungen von einer Pleite zu verbannen und nur an den Ablauf der Übung zu denken.
«Einatmen … Kopf anheben … Stellt euch vor, ihr müsst mit dem Hinterkopf eine schwere Last hochdrücken … Ausatmen … Kopf senken … Lasst euren Atem dem Rhythmus der Bewegung folgen … Und jetzt zwölf Wiederholungen», erkläre ich mit halblauter Stimme.
Zwischen den Anweisungen sehe ich immer wieder kurz hoch, um zu kontrollieren, ob eine der Schülerinnen meine Hilfe braucht. Eigentlich unnötig, es sind keine Neulinge gekommen. Seit Wochen hat sich niemand mehr angemeldet. Die Einsteigerstunde kann ich vermutlich auch bald vom Stundenplan streichen.
«Jetzt langsam nach oben in den Vierfüßlerstand kommen … Ausatmen … Der Hund dehnt sich … Einatmen … Den Po nach oben drücken … Ausatmen … Den Rücken strecken … Das Gewicht auf die Hände verlagern.»
Ich lenke all meine Aufmerksamkeit auf meinen Körper und versuche die Übungen noch intensiver auszuführen. Ich spüre, wie meine Glieder warm werden und sich langsam Schweiß auf meiner Haut bildet. Es fühlt sich gut an, Hände und Füße auf die Matte zu drücken, jede einzelne Muskeldehnung zu verfolgen und mich nur auf den Atem zu konzentrieren. Ganz bei mir zu sein. An nichts zu denken …
Ben!
Wie eine blinkende Neonschrift in dunkler Nacht leuchtet sein Name vor meinem geistigen Auge auf.
Stopp! Konzentration auf das Hier und Jetzt.
«Einatmen … Ausatmen …»
Am Ende der Stunde konnte ich Ben noch immer nichtaus meinem Kopf vertreiben. Meine sonst so zuverlässige Vergesslichkeit hat hier versagt. Wie ein falsches Mantra drängt er sich mir immer wieder auf.
«Namaste», verabschiede ich meine fünf Schülerinnen und spreche den philosophischen Gedanken des Tages aus. «Stärke bedeutet nicht physische Kraft, sondern den unbeugsamen Willen, etwas erreichen zu wollen.»
Moment mal. Diese Weisheit von Mahatma Gandhi sollte ich nicht nur an meine Yoga-Klasse weitergeben, sondern vor allem selbst befolgen.
Also gut, den unbeugsamen Willen, mein Studio nicht aufzugeben, habe ich. Allerdings werde ich doch ein paar Muskeln brauchen – so ein Umzug ist schließlich immer mit Möbelschleppen verbunden. Und eine professionelle Umzugsfirma kann ich mir im Moment nicht leisten. Es wird mir also nichts anderes übrig bleiben, als mich selbst körperlich anzustrengen.
«Namaste.»
Die Antwort meiner spärlichen Schülerschaft unterbricht mein verzweifeltes Grübeln. Danach leert sich der Raum, und wenig später bin ich allein. Unfähig, mich zu bewegen, sitze ich da und warte auf den Mann, mit dem ich erst gestern den schönsten Abend seit langem verbracht habe. Auf den Mann, der mich so leidenschaftlich geküsst hat. Auf meinen Traummann.
Nach einer Stunde sind meine Entschuldigungen endgültig aufgebraucht. Enttäuscht gestehe ich mir ein, dass es in Wahrheit nur einen Grund für Bens Ausbleiben gibt: Ich bin versetzt worden! Ben hat kein Interesse an mir, und der gestrige Abend war eine einzige Lüge. Von wegen, ich sei eine außergewöhnliche Frau! Mister-ehrlicher-Blick dachtesicher nur an schnellen Sex. Und als er den nicht bekam, ist er ins Taxi gestiegen und hat mich an der nächsten Ecke schon vergessen. Und sollten wir uns mal
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