Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
Vom Netzwerk:
zufällig begegnen, wird er vermutlich die Straßenseite wechseln.
    Frustriert schnaufe ich vor mich hin. Traummänner gibt es eben nur im Traum. Mama hat recht: Ich muss aufwachen und mich um die Wirklichkeit kümmern. Und die ist nicht rosarot oder zuckersüß und auch nicht mit Feenstaub überzogen. Sie ist einfach nur grausam: vier Kündigungen, ein Drohbrief von Jacobi und ein Traummann, der sich als Albtraummann entpuppt hat.
    Das war der absolut schwärzeste Tag meines Lebens.

7
    Am nächsten Morgen hängen dicke, schwarzviolette Wolken über Moabit. Sie sehen aus, als brächten sie den Weltuntergang. Ein scharfer Wind verbiegt die Baumwipfel, und ein heftiges Sommergewitter scheucht die letzten Passanten übers Pflaster.
    Tage, die so dunkelgrau beginnen, bringen garantiert nichts Gutes.
    Als Kind habe ich es geliebt, vom Fenster aus Blitze zu beobachten und dicke Regentropfen an die Fensterscheiben trommeln zu sehen. Nach so einem Unwetter stapfte ich mit Britta durch die Pfützen in unserem Hinterhof, bis wir klatschnass waren. Hinterher steckte mich Mama in ein heißes Bad, dann durfte ich wieder ins Bett, um nicht krank zu werden.
    Auch heute würde ich am liebsten zurück unter meine Bettdecke kriechen und so lange schlafen, bis alles vorbei ist – bis ich Ben vergessen habe.
    Aber ich widerstehe der Versuchung. Pah! Wäre doch gelacht, wenn ich mich unterkriegen lassen würde. Die Ausbildung auf der Yoga-Akademie in Schöneberg habe ich schließlich auch geschafft. Und ich kann mich noch gut erinnern, wie schwer es war, die erforderliche Körperbeherrschung zu erlangen. Vor allem beim Kopfstand. Zu Beginn konnte ich mich nicht allein im freien Raum halten und musste die Beine gegen die Wand stützen. Aufgeben kam aber nicht inFrage. Ich wusste, dass ich es schaffen würde – weil ich es schaffen wollte. Jeden Tag ging es etwas besser. Und eines Tages waren meine Bauch- und Beinmuskeln stark genug, die Balance zu halten. Es ist eine alte Weisheit: Wenn man eine Sache erst mal ans Laufen gebracht hat und dranbleibt, kommt der Rest von allein. Ab sofort werde ich mein Ziel fixieren und mich nur noch um mein Business kümmern. Männer können mir in Zukunft gestohlen bleiben!
    Durchatmen und Konzentration auf das Wesentliche.
    Also, warum warten, bis ich einen Nachmieter gefunden habe? Wer sagt denn, dass man eine bestimmte Reihenfolge bei der Problembewältigung einhalten muss? Es ist ja bereits beschlossene Sache, dass ich meine jetzige Wohnung aufgebe und bei Britta einziehe. Dann kann ich das auch sofort tun, oder nicht?
    Aufgeregt drücke ich Brittas Kurzwahlnummer.
    «Ja, Sonntag würde passen», erklärt sie unkompliziert wie immer. «Ich bin dieses Wochenende in Berlin und kann dir sogar beim Umzug helfen.»
    «Du bist wirklich die allerbeste Freundin, die man sich wünschen kann, Britta.»
    «Ach was, reine Berechnung», wehrt sie kichernd ab. «Sobald meine
Personal Trainerin
bei mir wohnt, erspart mir das viel Zeit.»
     
    Als ich gegen halb neun auf dem Weg ins Studio bin, hört es endlich auf zu regnen.
    Kaum habe ich die Tür aufgeschlossen, erscheint Ellen mit einem Baby, das sie in einem buntgemusterten Tuch auf den Hüften trägt.
    Mit großen blauen Augen starrt die Kleine verwundertauf mein geblümtes Käppi, bevor ein Lächeln über ihr niedliches Puppengesicht huscht.
    «Das ist meine Suzy», erklärt Ellen. «Hast du eigentlich auch Kinder?»
    «Nein   … ähm, dazu fehlt mir noch der passende Vater», flachse ich, und ohne es zu wollen, muss ich wieder an Ben denken. Aber der scheint als zuverlässiger Vater so wenig geeignet zu sein wie ich als Psychotante.
    Schnell verdränge ich den unzuverlässigen Surfertypen aus meinem krausen Gehirn und grinse Suzy breit an. Es muss ein tolles Gefühl sein, so ein kleines Wesen auf seinen Hüften zu schaukeln, denke ich versonnen und höre meine biologische Uhr ticken.
    «Wie alt ist sie denn?», frage ich Ellen.
    «Sechs Monate. Seit gestern», antwortet sie strahlend.
    «Sie ist wirklich sehr süß.» Mehr fällt mir mangels Kindererfahrung auch nicht ein.
    «Ja, wenn sie schläft, auf jeden Fall», seufzt Ellen und wirkt schon eine Winzigkeit weniger glücklich. «Aber ich bin wegen der Yogastunden hier.»
    «Oh   … ähm, prima!», erwidere ich begeistert. Ob sie ihr Kind mit in die Stunde nehmen will?
    Ellen schiebt das Baby mit einer routinierten Bewegung von der linken auf die rechte Hüfte und zupft danach ihr verrutschtes rosa

Weitere Kostenlose Bücher