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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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uns nach fünfzig Minuten in der Rückenlage entspannen, hängt
mein
Geist vollkommen flügellahm durch. Also, wenn nach dieser ersten Sonntagsstunde nicht alle fünf Schülerinnen kündigen, kann ich keine so schlechte Lehrerin sein!
    Nach dem Yogagruß und einem philosophischen Gedanken wünsche ich meinen Schülerinnen noch einen schönen Sonntag und bleibe allein im Trainingsraum zurück. Ich brauche dringend eine Runde Kopfstand – und noch dringender einen zündenden Einfall, wie ich Mama ans Klinikbett fesseln kann.
    Ob ich ihr zu einem Gesichtslifting raten sollte? Oder vielleicht den Chefarzt bestechen könnte? Oder –
    Tante Tessa!
    Abrupt lasse ich mich auf den Boden purzeln. Eigentlich ein absolutes No-Go im Yoga, aber es zeugt von meiner Verwirrung.
    Eilig begebe ich mich an meinen Spind, krame in meinem Rucksack nach dem Handy und rufe Tessa an.
    «Tokay», meldet sie sich nach endlosen Minuten.
    «Hallo, Tessa?» Ich schnaufe absichtlich schwer. «Hier ist Nelly   … Ich   …»
    «Geht’s dir nicht gut?», erkundigt sie sich besorgt. «Du klingst so komisch.»
    «
Mir
fehlt nichts», antworte ich und lege eine Kunstpause ein. «Aber ich sorge mich um Mama.»
    «Ella? Wieso? Was ist mit ihr?»
    «Ach, ich war gestern in der Klinik und   …», seufze ich und hole tief Luft, als müsste ich eine Schreckensnachricht überbringen. «Mamas Benehmen war   … Na ja, wie soll ich sagen, irgendwie sehr sonderbar.»
    «Was meinst du mit sonderbar?» In Tessas Stimme schwingt Besorgnis mit.
    «Nun ja», beginne ich zögerlich und erinnere mich daran, was Mama über die Spezialisierung der Klinik berichtet hat. «Sie will sich in einer Rundum-Operation die Lider straffen, die Nase begradigen und das Fett absaugen lassen.»
    Während ich diese Behauptung mit wackliger Stimme vortrage, verdränge ich mein schlechtes Gewissen. Letztlich schicke ich Mama ja nicht ins Verderben, sondern verschaffe ihr nur ein paar Tage Extraurlaub.
    Am anderen Ende der Leitung ist plötzlich ein dumpfes Geräusch zu vernehmen. Anscheinend hat Tessa sich vor Schreck auf einen Stuhl plumpsen lassen.
    «Tessa, bist du noch dran?»
    «Das ist doch hoffentlich nur ein Scherz?», keucht sie.
    «Leider nein», antworte ich und sprudele weiter: «Anschließend will sie gleich wieder nach Hause, ohne die Heilung abzuwarten. Aber ich weiß nicht, ob Phillip und ich das alleine schaffen. Ich meine, ihre Nerven scheinen noch sehr   …»
    «Schon gut, Kind», beruhigt mich Tessa mütterlich. «Jetzt erzähl mir mal genau, wie Ella auf eine dermaßen absurde Idee verfallen ist.»
    Mist, jetzt muss ich diese Lügenstory auch noch ausweiten!
    «Keine Ahnung», jammere ich. «Sie hat nur gesagt, wiewunderbar praktisch diese Klinik sei und was man da alles in einem Aufwasch machen lassen könne.»
    «Nase begradigen   …», murmelt Tessa irritiert. «So ein Schwachsinn. Ellas Nase ist ja wohl die perfekteste Nase, die ich kenne. Was ist nur in sie gefahren? Offensichtlich hat deine Mutter den Dildo-Fall doch noch nicht verdaut.»
    Ob das endlich die Gelegenheit ist, zu erfahren, was es mit diesen ominösen Dildos auf sich hat? «Was meinst du damit?»
    «Wenn ich dir das erzähle, Kindchen, muss es aber unter uns bleiben, verstanden?», beginnt Tessa.
    «Selbstverständlich», beeile ich mich zu beteuern und kann mich gerade noch zurückhalten, um nicht zu sagen:
Therapeuten-Ehre
.
    «Also, eine Patientin von Ella wurde von ihrem Ehemann, einem konservativen bayerischen Politiker, der sich in der Öffentlichkeit als treuer Familienmensch verkauft, jahrelang betrogen. Die Gattin kam dahinter, war verständlicherweise zutiefst verletzt und wollte Rache. Sie schickte ihm per Kurier eine Kiste Dildos ins Büro und verständigte die Presse, um ihn als sexsüchtig zu outen und damit seine politische Karriere zu ruinieren. Der Mann behauptete daraufhin, seine Frau sei wahnsinnig geworden, und wollte sie in eine Nervenheilanstalt einweisen. Deine Mutter versuchte vergeblich, die beiden in einer Paartherapie auszusöhnen. Kurz darauf unternahm die arme Frau einen Selbstmordversuch.»
    «Wow, was für eine schreckliche Geschichte», werfe ich ein. «Es muss furchtbar gewesen sein.»
    «Ella war natürlich schockiert, als sie davon erfuhr. Und irgendwie ließ sie diesen Fall zu nah an sich ran», fügt Tessa noch hinzu. «Was dabei rauskam, hast du ja erlebt. Abermach dir keine Sorgen, Nelly, ich kümmere mich um sie. Ella kann definitiv noch nicht

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