Couchgeflüster
«Schließlich habe
ich
sie heute Nachmittag besucht, während du hier –»
«Ja, ja, schon gut», unterbricht er mich. «Aber was unternehmen wir gegen diese voreilige Entlassung? Eine Woche Erholung reicht in Mamas Fall doch bestimmt nicht aus. Ich habe keine Lust auf einen weiteren Ausraster.»
Ich kapiere sofort. Dem schneidigen Kapitän geht es weniger um Mama als um die Wohnung, in der er ungestört in schwarzen Tangas rumspringen möchte.
«Na, dann muss sich deine doofe Schwester wohl eine Lösung einfallen lassen», sage ich verheißungsvoll.
«Und wann wird das sein?», drängelt Phillip.
«Sobald du mein krauses Gehirn mit ein paar Geldscheinchenzu Höchstleistungen animiert hast. Sagen wir dreihundert Euro?
Es dauert zwei, drei Sekunden, bis mein Bruder kapiert. «Das kannst du vergessen», erklärt er empört. «Ich zahl doch nicht für deine Schnapsideen.»
«Tja, dann wird Mama wohl bald erfahren, dass du in ihrer Abwesenheit hier ausufernde Sexorgien veranstaltest», drohe ich, kurz bevor Carina wieder die Küche betritt. Wie heißt es doch so schön: Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt!
18
Um vier Uhr morgens liege ich endlich in meinem Bett in der Kantstraße. Doch obwohl ich mich vollkommen zerschlagen fühle, kann ich nicht schlafen.
Hoffentlich hat Phillip kapiert, dass meine Drohung kein Scherz war. Immerhin hat er sich bis Sonntagmittag Bedenkzeit erbeten. Er müsse erst seine Kontoauszüge überprüfen.
Also bitte: Was gibt’s denn da zu bedenken und zu überprüfen? Eine sturmfreie Bude mit Carina dürfte ihm doch wohl dreihundert Euro wert sein, oder? Ich würde für Ben jedenfalls ein Millionenvermögen opfern, wenn ich eines hätte.
Irgendwann muss ich dann aber doch eingeschlafen sein. Schweißgebadet und mit Herzklopfen erwache ich aus einem seltsamen Traum, als es draußen schon taghell ist.
Im Traum musste ich über einen langen Weg aus schneeweißen Glasscherben laufen, um Ben zu retten. Doch ich renne zu schnell, die spitzen Scherben schmerzen entsetzlich, und ich schaffe es nicht. Am Ende verliert Ben durch mein Versagen auch noch den Rest seines Erinnerungsvermögens.
Erleichtert atme ich auf, als ich realisiere, dass es nur ein Albtraum war. Es ist Sonntag, und ich liege völlig unverletzt in meinem Bett und kann sogar ausschlafen.
Noch ist nichts verloren. Ben muss nur möglichst schnell in den Flugsimulator, dann wird alles gut. Der Gedanke istso tröstlich, dass ich die Decke noch einmal genüsslich hochziehe und mich ins Kissen kuschle – um Sekunden später von einem fiesen Scheppern daran gehindert zu werden, wieder einzuschlafen.
Mist! Ich habe den Wecker auf dem Suppenteller im Regal vergessen. Aber wieso klingelt der überhaupt?
Siedend heiß fällt es mir ein: Heute soll doch die erste Glücksyoga-Stunde stattfinden!
Hecktisch springe ich aus dem Bett, um den Wecker auszustellen. Dabei stoße ich mir das Knie am Fußteil des Rahmens, pralle gegen das Regal und gebe einen schrillen Schmerzensschrei von mir. Kurz darauf folgt das klirrende Geräusch des Tellers mit den Münzen, der herunterfällt und in tausend Stücke zerspringt. In weiße Scherben!
Bin ich hellsichtig? Ist Ben verloren?
Blödsinn! Es war nur ein Traum, und das sind nur Scherben, sage ich mir, sammle die Bruchstücke ein und wickle sie in eine herumliegende Zeitung.
So leise wie möglich schleiche ich mit dem Päckchen in die Wohnküche.
«Meine Güte, Nelly. Was machst du denn für einen Lärm mitten in der Nacht?» Verschlafen steht Britta im Türrahmen und zupft an ihrem kurzen, champagnerfarbenen Satinhemdchen.
Staunend verfolgt sie, wie ich mit dem Zeitungspaket unterm Arm eine Schublade nach der anderen aufziehe. In meinem überdimensionalen, hellgrünen T-Shirt mit dem Smiley-Aufdruck bin ich sicher ein amüsanter Anblick.
«’tschuldigung», murmle ich. «Ich wollte dich nicht wecken.»
Gähnend fährt sich Britta durchs zerzauste Haar undstreckt sich ausgiebig. «Ich wusste gar nicht, dass du auch am Sonntag früh aufstehst.»
«Hast du irgendwo eine schöne Schleife?», frage ich, ohne auf ihren Kommentar einzugehen.
Abrupt lässt Britta die Arme sinken. «Wie bitte?»
«Na ja, mir ist ein Teller zerbrochen, und ich würde die Scherben gerne hübsch verpacken und bis zu meinem Polterabend aufbewahren», erkläre ich und halte ihr das Zeitungspäckchen entgegen.
«Du hast echt ’nen Knall, Nelly Nitsche», schmunzelt Britta und zeigt auf
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