Couchgeflüster
anwesend. Keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, allein ins Studio zu fahren und einen einigermaßen konzentrierten Eindruck auf meine Schülerinnen zu machen.
Erleichtert sehe ich, dass Britta auch noch im Hemd ist.
«Genieße deinen Kakao ganz in Ruhe, für Yoga bin ich heute sowieso zu kaputt», verkündet sie und gähnt. «Aber unsere Stunde ist nur verschoben, klar?» Sie grinst mich an. «Also, Schluss mit der Gefühlsduselei! Du musst guten Unterricht geben, damit das Studio nicht pleitegeht und du endlich deine Schulden loswerden kannst. Alles klar?»
«Klar wie Klärchen», nicke ich dankbar, «du hast mal wieder recht.»
In dem Moment fällt mir der fette Scheck von Jeanette Krüger ein, der immer noch unbeachtet in meinem Häkelbeutel steckt. Sofort erzähle ich Britta von dem unerwarteten Geldsegen und wie es dazu kam.
Mit großen Augen hört sie mir zu. «Alle Achtung, Nelly», lobt sie mich, als ich mit meiner Geschichte am Ende bin. «Mit deinen Spinnereien sind jetzt zwei Frauen happy. Also, vergiss diesen Fitness-Idioten und fokussiere dein Ziel.»
«Ja, Schluss mit der Heulerei», erkläre ich mit fester Stimme. «Ich muss mich endlich darauf besinnen, was ich mir vorgenommen hatte, bevor dieser Lügner mein Leben durcheinandergebracht hat.»
«Richtig so!», feuert mich Britta an. «Du wolltest dein Studio retten. Also, durchatmen und vorwärtsschauen. Das predigst du doch in deinen Stunden immer.»
«Vielleicht sollte ich eine Werbeaktion mit Handzetteln starten, um neue Kunden zu gewinnen. Ich muss außerdem dringend eine eigene Homepage erstellen. Und dann werde ich natürlich auch noch Jeanettes Scheck einlösen», sprudelt es aus mir heraus. «Immerhin habe ich sie von ihrer Sucht geheilt! Na ja, vielleicht nicht im medizinischen Sinn. Aber ich konnte ihren Kaufzwang in eine annehmbare Richtung lenken, richtig?»
«Das klingt mir schon wieder ganz nach der alten Nelly», lobt mich Britta. «Und wie geht es jetzt weiter?»
Entschlossen stelle ich die Tasse zur Seite und springe aus dem Bett. «Morgen, noch vor der ersten Yogastunde, werde ich meine Banktussi aufsuchen. Die wird staunen, wenn ich ihr so einen dicken Scheck auf den Schreibtisch knalle. Darauf freue ich mich jetzt schon!»
Gestärkt von dem aufbauenden Gefühl, mit meiner «Arbeit» etwas erreicht zu haben, schaffe ich es auf dem Weg ins Studio sogar, den grünäugigen Betrüger in meiner Gehirnschachtel schon ein wenig weiter nach hinten zu verdrängen.
Wesentlich entspannter begrüße ich kurz darauf Desiree, die mal wieder zum Training erscheint. Ein frischer Zitronenduft umweht sie, und in ihrem hellblauen Outfit wirkt sie wie ein junges Mädchen.
«Du siehst klasse aus», sage ich. «Die Rolle in der Telenovela scheint dir gutzutun.»
«Danke, Nelly, mir geht’s bolle», sagt sie freudig und sieht mich dann kritisch an. «Aber du hast Probleme. Oder warum bist du so blass um die Nase? Und Ringe unter den Augen hast du auch.»
«Vergangene Woche hatte ich ziemlich Stress», gebe ich kleinlaut zu.
«Immer noch wegen der Kohle?», flüstert Desiree diskret, als zwei Schülerinnen an uns vorbei in den Unterrichtsraum gehen.
«Nein, nein. Dieses Problem hat sich inzwischen erledigt», erkläre ich aufatmend.
«Und deine Suche nach einer Nachmieterin ja wohl auch», freut sich Desiree. «Gestern Abend war ich bei der Paulsen eingeladen.»
Vera Paulsen!?
Allein der Name versetzt mir einen schmerzhaften Stich in die Brust. Meine Hände werden feucht, und ich spüre, wie ich rot anlaufe. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen und die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Am Ende ist Desiree noch mit dieser Frau befreundet und verrät meiner Rivalinungewollt etwas über meinen Liebeskummer. Den Triumph würde ich dem gemeinen Biest nicht gönnen.
«Sie hat sich gut eingelebt in deiner alten Wohnung», plaudert Desiree weiter. «Und die Räume sind wirklich sehr elegant und stilvoll eingerichtet. Wahnsinn, ich hab Bauklötze gestaunt! Eine türkisfarbene Küche mit großer Arbeitsplatte aus Edelstahl, ein helles Sofa auf rotem Teppich und ein dunkelrotes Schlafzimmer in Samt und Seide. Alles nagelneu und nur vom Feinsten.»
Mir fehlen die Worte, und eigentlich will ich das auch alles gar nicht hören. Aber Desiree ist nicht mehr zu bremsen.
«Auch ihre Garderobe ist der Hammer», fügt sie anerkennend hinzu. «Früher hat sie ja nur Weiß getragen, jetzt kleidet sie sich ganz elegant in Schwarz-Weiß oder nur in
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