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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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egal, ob ich nass werde und morgen todkrank bin und deshalb keine Yogastunden mehr geben kann. Was interessiert mich, ob mein Studio dann endgültig verloren ist? Mich kümmert nichts mehr. Mein Kopf ist leer. Meine Augen brennen. Mein Hals kratzt. Meine Gedanken fahren Achterbahn, und in meinen Ohren dröhnen Veras gemeine Abschiedsworte:
Bleib locker, Rotschopf!
    Am liebsten würde ich mich vor die U-Bahn werfen. Doch als der Zug kommt, fehlt mir selbst dazu die Kraft. Mit mechanischen Bewegungen steige ich ein, lasse mich aufeinen freien Sitz fallen und starre durch die Brandenburger-Tor-Silhouette auf den Fenstern ins Dunkle.
    Um den übermächtigen Schmerz zu betäuben, murmle ich die Stationen vor mich hin. Zoologischer Garten   …
Betrüger
… Spichernstraße   …
Lügner
… Berliner Straße   …
    Ich muss umsteigen. Mit letzter Kraft zwinge ich mich, den Wagen zu verlassen.
    Eine Mutter mit Kind betrachtet mich mitleidig, als wisse sie um meinen Kummer. Soll sie ihre Tochter ruhig vor den Männern warnen! Doch wenn die Kleine dann irgendwann auf einen gemeinen Schuft wie Ben triff, wird sie alle Warnungen vergessen. Genau, wie ich die Bedenken meiner besten Freundin ignoriert habe.
    Meine Bahn kommt. Müde raffe ich mich auf, steige ein und starre wieder vor mich hin. Noch vier Stationen, bis ich aussteigen muss. Nur noch wenige Minuten, dann kann ich mich endlich vor dieser gemeinen Welt verkriechen.
     
    Als Britta abends nach Hause kommt, hänge ich apathisch auf dem Sofa. Meine Klamotten sind noch feucht vom Gewitterregen, mir ist kalt, aber ich habe einfach nicht die Kraft, mich umzuziehen. Wie an einem tröstenden Stofftier halte ich mich an der Fernbedienung des Fernsehers fest und kann mich nicht entscheiden, ob ich den Kasten einschalten oder mich lieber aus dem Fenster stürzen soll.
    «Hallooo!», flötet Britta fröhlich und mustert mich verwundert. «Warst du im Regen spazieren?»
    Träge hebe ich den linken Arm. «Fühl mal meinen Puls, ob ich überhaupt noch lebe.»
    Bestürzt kommt sie auf mich zu und setzt sich neben mich. «Was ist hier los?»
    Ihr Mitgefühl lässt mich erneut zusammenbrechen. «Ben   …», presse ich zwischen zwei Weinkrämpfen schließlich hervor. «Er   …»
    Wortlos zieht Britta die Augenbrauen hoch.
    «Sag jetzt nichts», jammere ich. «Dein Blick reicht schon.»
    Abwehrend hebt sie die Hände. «Kein Gedanke. Ich wollte dich nur trösten.»
    «Aber er   …» Ich stocke. Meine Nase läuft.
    Schnell zieht Britta ein Taschentuch aus ihrer Jeans. «Hier, für deine Nase. Und dann leg dich erst mal trocken. Deine Klamotten gehören in die Wäsche. Ich organisiere uns in der Zwischenzeit eine Flasche Wein und ’ne Tüte Chips, und dann erzählst du mir, was dir dieser Mistkerl angetan hat.»
     
    Trotz der fettigen Paprikachips entfaltet bereits das erste Glas Wein seine volle Wirkung. In Alkohol ertränkter Liebeskummer ergibt einen wirksamen Zungenlöser. Die Worte sprudeln nur so aus mir heraus, als hätte jemand den richtigen Knopf gedrückt.
    «Ich dachte wirklich, er wäre mein Traummann», schluchze ich, nachdem ich Britta alle Einzelheiten der grauenvollen Begegnung geschildert habe.
    Britta öffnet die zweite Flasche Wein und füllt unsere Gläser auf. «Tja, meiner Erfahrung nach haben
Traum -
Männer einen gravierenden Makel: Sobald man aufwacht, verschwinden sie oder verwandeln sich wieder in hässliche Frösche.»
    Wahrscheinlich treffen ihre pessimistischen Ansichten genau ins Schwarze. Aber es schmerzt höllisch, das einsehen zu müssen. Doch allmählich versiegen meine Tränen, und ich verschiebe auch meinen Selbstmord. Zumindest vorerst.
    «Vielleicht hat Ben gehofft, dich ausspionieren zu können, als du ihm vor dem Supermarkt von deinem Studio erzählt hast», überlegt Britta. «Er wollte dir die neuesten Yogatrends entlocken und hat dir sein Fitnesscenter natürlich verschwiegen.»
    «Möglich.» Grummelnd schiebe ich mir eine Handvoll Chips in den Mund. «Nur eines verwundert mich schon: Das Thema Yoga hat er nie erwähnt.»
    «So leid es mir tut, Nelly, aber genau das ist doch der Beweis für seine hinterhältigen Absichten», erklärt Britta. «Vermutlich hat er damit gerechnet, dass du ihm sowieso alles über dein Studio erzählst. Er muss gemerkt haben, wie schnell du Vertrauen zu den Leuten fasst. Und normalerweise tut man das ja auch. Aber eine ganze Fitnesskette zu verheimlichen ist einfach hinterhältig», urteilt sie erbost.

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