Cowgirl in Spitzenhöschen
Beispiel. Ich habe ihm diese alte Geschichte früher immer vorgelesen.”
“Keine Sorge. Ich weiß sehr genau, dass ich nicht der Stardust-Cowboy bin. Es dürfte schwierig werden, jemanden zu finden, der weniger damit zu tun hat als ich. Nur Staub habe ich mehr als genug.”
Sie lächelte ihm kurz zu und fragte dann: “Was ist mit Chris?”
“Chris ist tot”, erklärte Riley leise. “Er kam letzten Monat bei einem Autounfall in Arizona ums Leben.” Er betrachtete sie sehr genau, um sofort aufzuhören, wenn sie zusammenzubrechen drohte. Aber Riley hoffte, seine Geschichte in Ruhe erzählen zu können.
Dori brach nicht zusammen. Sie setzte sich nur auf die Couch und schien blasser geworden zu sein. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte sie wie erstarrt, aber dann fing sie sich wieder und fügte sich in das Unvermeidliche. “Ich verstehe.”
Riley konnte es ihr ansehen, dass es stimmte. Obwohl sie im ersten Moment schockiert gewesen war, machte sie nicht den Eindruck, als wäre sie besonders überrascht.
“Sie haben mit so etwas gerechnet, nicht wahr?” Es war eine Feststellung, keine Frage.
Nervös spielte sie mit ihren Fingern. “Nicht gerechnet. Aber …”, sie hielt inne, als ob sie nach den richtigen Worten suchen müsste, “… Chris hat immer auf der Überholspur gelebt. Er war so unmäßig lebenslustig. Laut. Mutig. Er war ein Macher. Wo immer er ging, hinterließ er etwas.”
“Sternenstaub?” Es rutschte Riley heraus, ohne dass er nachgedacht hatte. “Oh, ich wollte nicht …”
Doch Dori lächelte ihn nur nachsichtig an. “Vielleicht hat es sogar einmal gestimmt.”
Die Uhr schlug zur vollen Stunde. Schweigend lauschten sie gemeinsam dem Läuten der Glocke, aber dann durchbrach Dori die folgende Stille. “Sie sind sein Bruder.”
Riley nickte. Er hatte sich gedacht, dass Chris zumindest ihr von seiner Familie erzählt hatte, wenn er schon seinem Bruder nichts von Dori erzählt hatte. Aber er hatte natürlich keine Ahnung, was genau Chris ihr gesagt hatte.
“Er hat von der Ranch gesprochen und von seinem Bruder. Sie sind sein Held gewesen.”
Riley verspürte einen kurzen Schmerz. “Chris hat schon immer gern Geschichten erzählt.”
“Es waren wunderschöne Geschichten.” Ihre Stimme war ganz weich, und Dori wirkte, als tauche sie wieder in die Vergangenheit. Doch dann schenkte sie Riley wieder ihre ganze Aufmerksamkeit. “Hat er Ihnen von Jake erzählt?”
“Er hat den Jungen mit keinem Wort erwähnt.” Riley fand selbst, dass es zu schroff klang, aber es war die Wahrheit. Dennoch bemühte er sich, es genauer zu erläutern. “Chris war allerdings auch sehr selten zu Hause. Er hat wohl Angst gehabt, dass ich ihn überreden würde zu bleiben, wenn er es mir gesagt hätte.” Und das hätte ich auch, dachte Riley. Ich hätte ihm den Kopf gewaschen, bis er sich der Herausforderung gestellt hätte. “Ich wünschte, er hätte es getan”, fügte er schließlich hinzu.
Für einen Moment war es sehr still und Riley fragte sich schon, ob er etwas Falsches gesagt hatte.
Dori seufzte laut auf. “Chris war einfach kein Familienmensch. Und er konnte sich auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, Vater zu sein.”
“Er hat Geld geschickt”, erinnerte Riley sie und erwartete als Antwort, dass Vater zu sein mehr bedeutete, als nur Geld zu schicken.
Aber sie sagte nichts dergleichen. “Ja, und das ist besser als nichts. Vielleicht war er einfach nicht fähig, mehr zu tun. Vielleicht konnte er genauso wenig zu mir zurückkehren, wie er unfähig war, wieder nach Hause zu gehen. Denn wenn er es getan hätte, dann wäre einiges auf ihn an Verantwortung zugekommen.”
Rileys Sicht der Dinge war sehr ähnlich. “Ist er denn jemals wieder gekommen?”
“Nein.”
“Niemals?” Er hatte Probleme, das zu glauben. Hatte er denn nicht sein eigenes Kind sehen wollen?
“Er hat es oft versprochen.” Dori lächelte freudlos. “Er wollte zu Weihnachten kommen oder zu Jakes Geburtstag.” Riley kannte diese Versprechungen von Chris. Doris Lächeln hatte etwas Schwermütiges an sich. “Aber wem erzähle ich das? Chris hat immer viel versprochen und nur wenig gehalten.” Riley hatte seinen Bruder sein halbes Leben in Schutz genommen, obwohl ihn dessen Verhalten selbst angewidert hatte. Und gegen die Wahrheit konnte und wollte er ihn nun nicht mehr beschützen. “Er hat es sicher nicht bös gemeint.” Mehr fiel ihm nicht mehr dazu ein.
Zu seiner Überraschung stimmte ihm Dori zu.
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