Cowgirl in Spitzenhöschen
seinen Anteil an der Ranch nicht verkaufen wollte.
“Andere Dinge gehen vor.” Mehr hatte Chris nicht dazu gesagt.
Wie oft hatte er Chris wegen seiner schnelllebigen Lebensweise zur Rede gestellt, aber es schien fast, als ob er weder mit dem gesunden Menschenverstand noch mit Logik zu seinem Bruder durchdringen konnte. So hatte es sich ihm zumindest damals dargestellt. Jetzt war ihm klar, dass etwas ganz anderes im Leben seines Bruders Vorrang gehabt hatte.
Warum hast du es mir nicht gesagt? dachte Riley.
Aber er kannte die Antwort. Chris wollte ihm nicht von einem Sohn erzählen, den er niemals selbst gesehen und dessen Mutter er nicht geheiratet hatte. Er hatte sich ganz einfach nicht mit Riley über Dinge wie Verantwortung und Pflichtgefühl streiten wollen, denn Riley hätte ihm bestimmt eine Predigt gehalten.
Chris hatte sich schon früher darüber beschwert, dass Riley seine Verantwortung so ungeheuer ernst nahm. Riley hingegen war immer der Ansicht gewesen, dass ein wenig mehr Verantwortungsgefühl Chris bestimmt nicht schaden würde. Im Fall von Jake schien er es zumindest ansatzweise entwickelt zu haben.
Aber mehr auch nicht, denn es gab kein Testament. Das hätte Chris allerdings auch nicht ähnlich gesehen. Er hatte sich immer für unverletzlich und unsterblich gehalten. Aber welcher Dreißigjährige denkt schon daran, sterben zu müssen?
Doch nun war er tot. Einen Monat lang hatte Riley angenommen, dass er der einzige Erbe seines Bruders sei und damit der Besitzer Stratton-Ranch. Rein juristisch war er es wohl auch, denn sein Bruder hatte die Mutter seines Sohnes ja nicht geheiratet, weil er ein eingefleischter Junggeselle war.
Einmal hatte er sich selbst als “gemäßigten Herumtreiber” beschrieben. “Heute hier, morgen dort.”
Er war ein begnadeter Musiker gewesen, aber er hatte sein Herz an Country und Western und Rhythm and Blues verloren. Die meisten seiner Lieder hatte er selbst geschrieben, und obwohl Riley kein großer Musikkenner war, so war er doch beeindruckt gewesen. Am meisten aber hatte er an Chris seine Entschlossenheit bewundert. Seit er ein kleiner Junge gewesen war, hatte Chris alles dafür getan, sich einen Namen zu machen. Der Welt zu zeigen, wer er war und was in ihm steckte.
“Ich werde bestimmt kein armer kleiner Cowboy werden”, hatte er Riley so oft gesagt, dass es fast wie der Refrain eines seiner Lieder geklungen hatte.
Nicht so wie du!
hatte er gemeint. Chris hatte nie verstehen können, wieso Riley nicht auch unbedingt von der Ranch wegwollte. Er selbst hatte all die Jahre nur darauf gewartet, dass er seinen Schulabschluss kriegte, denn dann konnte er sich endlich den Staub von den Stiefeln abwischen und einfach weggehen.
“Wenigstens kommst du so mal nach Laramie”, hatte er seinem Bruder gesagt, als Riley aufs College gegangen war.
Doch der Traum vom College war nach drei Jahren für Riley beendet gewesen. Ihre Mutter starb, als Chris noch auf der Highschool war, und kurz nach dem heiß ersehnten Highschool-Abschluss verließ Chris die Ranch. Bald darauf verunglückte ihr Vater beim Reiten und wurde dadurch zum Krüppel. Es hatte niemanden mehr gegeben, der ihm hätte helfen können – keine Tanten oder Onkel, nicht einmal einen Cousin – nur Riley und Chris.
Also war Riley wieder zurückgekehrt.
Chris nicht.
“Auf keinen Fall”, hatte er Riley am Telefon klargemacht. “Ich gehe nie wieder zurück. Du kannst es gern machen, wenn du es willst, aber du weißt ganz genau, dass es nicht nur für die Zeit ist, in der Dad noch krank ist. Es wird für immer sein. Wenn du zurückgehst, wirst du nie wieder fortgehen können. Aber du wolltest ja nie wirklich weg.”
Riley war es egal gewesen.
Er hatte die Ranch immer in dem Maße geliebt, wie Chris sie verachtet hatte. Und er war dumm genug gewesen, zu glauben, dass Tricia mit ihm gehen würde.
Tricia …
Nein, verdammt, er wollte heute Abend nicht an Tricia denken!
Es gab schon genug, worüber er sich Gedanken machen musste. Was sollte er bloß zu Chris’ Freundin sagen und zu dem Jungen?
Aber er hatte keine Lust, mit ihr auf einem Hochzeitsempfang zu sprechen. Er würde ganz einfach warten, bis sie nach Hause kam. Es würde schon nicht so spät werden. Eine verantwortungsvolle Mutter würde ihr Kind nicht zu lange aufbleiben lassen. Aus dem Inhalt ihrer Briefe hatte Riley herausgelesen, dass Dori Malone eine sehr liebevolle und verantwortungsbewusste Mutter sein musste, auch wenn sie die
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