Crash: Thriller (German Edition)
Uran, was weitaus mehr war, als er an kritischer Masse brauchte. Er hatte die Brennelemente von einem Forschungsreaktor in Kasachstan erhalten. Trotz aller Versuche der Vereinigten Staaten, Atomschmuggel zu unterbinden, war altes sowjetisches Uran tonnenweise in unzureichend gesicherten Anlagen in Zentralasien gelagert. Der Einfachheit halber hatte sich Cyrus dafür entschieden, als Zündmechanismus für die Explosion das »Gun-Design« zu verwenden, das auch bei der Atombombe Little Boy, die Hiroshima zerstört hatte, zum Einsatz gekommen war. Die Technik war ihm vertraut; im ersten Teil seiner beruflichen Laufbahn hatte er Kenntnisse über die Grundlagen von Atomsprengkörpern erworben, um die Entwicklung neuer Kernwaffen besser beaufsichtigen zu können. In jener Zeit war er ein eingebildeter junger Mann gewesen, dem irdische Bedürfnisse und Ambitionen viel bedeuteten, aber Gott hatte ihn die ganze Zeit vorbereitet. Jetzt erkannte er, dass der Herr sein Leben von Anfang an in die richtigen Bahnen gelenkt, ihm all die Werkzeuge an die Hand gegeben hatte, die er brauchen würde, um die Erlösung zustande zu bringen.
Cyrus legte die Uranscheibe wieder in ihr Fach zurück und erhob sich von seinem Stuhl. Er stand in einem großen Militärzelt. In der Mitte des Zelts befand sich die zehn Fuß hohe Bombenröhre, die senkrecht im Boden verankert war. Die Uranscheiben würden in einem losen Stapel auf den Boden der Röhre herabgelassen, die Ringe in einem geschossähnlichen Behälter kurz unterhalb der Spitze der Röhre angebracht werden. Dann würden Beutel mit Kordit direkt oberhalb des Geschosses in die Röhre gestopft werden. Sobald alles bereit war, würde Cyrus seinen Männern befehlen, den Kordit zur Explosion zu bringen. Die Explosion würde das Geschoss mit rasender Geschwindigkeit die Röhre hinunter treiben und es mit dem Stapel Uranscheiben am Fuß zusammenprallen lassen. Die Ringe würden die Scheiben umschließen, und das U-235 würde zu einer kritischen Masse vereint. Der langsame Zerfall des Urans würde in einer Kettenreaktion beschleunigt und die Energie von Billionen von Atomen auf einmal freigeben.
Er trat auf die Röhre zu und ließ die Hand über den Stahl gleiten. Das Design hatte sich bereits auf dem Versuchsgelände in der Kavir-Wüste bewährt. Cyrus hatte den Iranern alles gegeben, was sie brauchten, darunter weitere fünfundvierzig Kilo angereichertes Uran aus dem kasachischen Reaktor. Im Gegenzug hatte die Revolutionsgarde Cyrus gestattet, den Excalibur-Prototyp zu testen, den er aus Livermore gestohlen hatte. Die iranische Atombombe hatte gut in Excalibur hineingepasst: Die Röhre hatte sich in den dicken silbernen Zylinder schieben lassen wie ein Bleistift in eine Getränkedose. Als die Bombe explodierte, absorbierten die Laserstäbe Excaliburs die Röntgenstrahlung der Detonation und kanalisierten Milliarden Joule Energie in zwölf gewaltige Strahlenbündel, die in dem Zylinder zusammentrafen. Indem sie sich auf einen winzigen Bereich konzentrierten, hatten die Röntgenlaser die Grenzen des universalen Programms herausgefordert, ungeheure Datenströme in spezialisierte Cache-Speicher gegossen, die noch nie zuvor solche Informationsmengen hatten verarbeiten müssen. Die daraus folgenden Störungen waren nicht schwerwiegend genug gewesen, um das Programm zum Absturz zu bringen – das Universum war ein störrisches Geschöpf, ganz wie der Mensch, und nicht so leicht bereit, das Licht von Gottes Liebe zu akzeptieren. Aber dank dem Code, den Michael ihm zur Verfügung gestellt hatte, kannte Cyrus jetzt die ideale Strahlenkonfiguration, mit der die Fehlerkorrektur-Algorithmen überwunden werden konnten. Genauso wichtig war, dass er diesmal vorhatte, eine größere Ladung detonieren zu lassen, was den Datenfluss in die Speicher intensivieren würde. Die Explosion würde hundert Mal stärker als die in der Kavir-Wüste sein. Sie würde die Ankunft des Himmelreichs garantieren.
Cyrus ließ seine Hand auf der Röhre liegen und schloss die Augen. Er hatte so viele Opfer gebracht, um an diesem Punkt anzukommen. Und ein letztes Opfer würde er noch bringen müssen. Die Welt hatte eine derart lange Leidensgeschichte hinter sich, dass es grausam erschien, ihr in ihren letzten Stunden noch mehr zuzumuten. Trotzdem war es nötig. Es war brutal und rücksichtslos und kaltblütig, aber es war die einzige Möglichkeit, das Leiden ein für alle Mal zu beenden. Ein Fehler im Programm hatte das Universum
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